74Tagebuch 15. XII. 1969 – 28. VIII. 1970 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 5. I. 1970

Vormittags fährt H. Chacha und mich zu neuen Ausgrabungen bei Daìntzu an einem Berghang (halbwegs nach Mitla biegen wir nach rechts ab in einen schlechten Fahrweg. Ein freundlicher mexikanischer Archäologe erklärt alles auf Spanisch für Chacha. Erstaunlich, wie frühere Bauten nicht zerstört wurden, sondern durch neue Bauten, die breiter sind, überdeckt). – Spät am Nachmittag sitze ich mit H. im Wohnzimmer (die anderen beiden sind fortgefahren, um einen Wettbewerb von selbstgebauten Krippen in vielen verschiedenen Familien anzusehen; Nena gehört zum Schiedsrichterkomittee.) (Ich erzähle H. von meinem leider verfehlten Plan, mit dem Japaner zu sprechen, zu zweit oder mit allen dabei, wie ich über Deutschland und US empfinde: Zweimal ist es mir geschehen, dass mein geliebtes und hoch geschätztes Land die größte Gefahr für den Weltkrieg darstellt; dass ich entwurzelt bin, und keinem Land meine ausschließliche Liebe zuwende, sondern nur der Menschheit als Ganzes. Als es hier nicht dazu kam, mit Chuzo zu sprechen, hoffte ich für einen anderen Tag; und dann sagten sie auf einmal, dass sie heute packen und morgen abreisen werden.) –Ich frage sie über Louis Smart (er schreibt in seinem Brief so voller Dank und Freude über mein Verständnis und meine Zuneigung zu ihm; er macht sich wohl nicht klar, dass nicht ich, sondern H. aus eigenem Antrieb die ganze Arbeit für Louis gemacht hat, 🕮 für Bewerbung an Universitäten in Kalifornien. H. sagt: Sie kennt ihn überhaupt nicht persönlich. Ich: Das hatte ich vergessen; wahrscheinlich stellt Louis sich vor, dass H. das alles auf meine Bitte hin getan hätte, was sie wirklich ganz aus eigenem Antrieb tat. H sagt: Vielleicht denkt er sich, dass ich meine Kinder so erzogen habe, dass sie mit Selbstverständlichkeit Menschen anderer Rassen als gleichwertig nehmen, und dass ihn das so erfreut.) –H. hat mir vorher berichtet über die Auslagen von meinem Weihnachtsgeschenk für sie und E., und was E. dafür gekauft hat, und dass sie sehr große Freude daran hat.