74Tagebuch 15. XII. 1969 – 28. VIII. 1970 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 24. I. 1970

Meine Kehle ist etwas besser. Zur Vorsicht bleibe ich aber noch einige Zeit im Bett. Alles wird gepackt. – Am desk unterschreibe ich die Zimmerrechnungen, zusammen beinahe P 4000 (für 9 Nächte + Mahlzeiten). R kommt 🕮\Jan. 1970. / (Mex. D.F.)\ erst 12 ½ (anstatt 11 ½) lädt alles Gepäck in sein Auto (5 Stücke) und fährt uns zu seinem Haus. Dort ist auch R’s Mutter (eine sympathisch aussehende, ruhige, verständnisvolle Frau von ca 60 Jahren; sie ist in China gereist und hat ein Buch ms darüber geschrieben; aber kein Verleger in Mex. oder US will es veröffentlichen.) Später kommt auch FernandoArizmendi (der Analytiker); wir begrüßen uns herzlich. (Er hat eine Plastikdose mit dreihundert Kapseln (groß, rot) von KH3 mitgebracht, als Geschenk! Täglich 2; wenn Kopfschmerzen auftreten, oder 1; die Kopfschmerzen zeigen nicht eine schädliche Wirkung an, sondern nur, dass man sich daran gewöhnen muss; wenn sie aufgebraucht sind, soll ich ihm schreiben und über Wirkung berichten; wenn ich wünsche, schickt er mir dann ein neues Päckchen (vielleicht durch eine Freundin von R., die öfters nach L.A. kommt.)) 1 Stunde nap. Nachher Gespräch mit R. und F. über Poppers Demarkationslinie; und über die Möglichkeit, die Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie zu einer wirklichen Wissenschaft auszubilden. Ich sage: Am besten durch Zusammenarbeit eines Analytikers und eines Logikers, wie sie beide; später durch junge Leute, die beide Gebiete beherrschen. – Dann Gespräch mit R’s Mutter über China. (Sie ist dort herumgereist, hat mit allen Leuten gesprochen, auch Regierungsleuten; die Chinesen sagen, dass Amerika Agenten von chinesischer Abstimmung hineingeschickt haben, um die Bevölkerung nahe der Grenze gegen Russland aufzuhetzen. Im Grunde sind alle Chinesen sehr bemüht, der Regierung zu helfen, über die schwierigen Zeiten hinwegzukommen, und ein neues, besseres Leben zu organisieren.) Schließlich Abschied; besonders von Lorenza mit vielen Küssen; und von Héctor (H. sagt mir später, dass dieser Tränen in seinen Augen hatte; ich dachte vorhin schon ein paar Mal, ich möchte gerne noch mal 🕮\(Flug nach Guad. Freund: Ferdinand Merkenthaler, Student der Architektur\ mit ihm sprechen; ich mochte ihn gern, er ist so ruhig und verständnisvoll, dabei aber doch innerlich stark bewegt, er hat zartes, feines Gesicht.) – Da wir mit R. 3 Personen sind und 5 große Gepäckstücke hatten, war R’s Auto ganz voll auf der Fahrt zu R’s Haus; nun beschloss die Mutter auch noch mitzukommen, damit sie mir noch mehr über China erzählen könnte auf dem Weg; daraufhin schlug H. vor, dass alles Gepäck in das grössere Auto der Mutter gebracht werden sollte und wir damit fahren sollten; aber R. war dagegen, weil das Auto der Mutter manchmal Zicken macht, die wir jetzt nicht riskieren sollten. So nahm dann H. die Mutter auf ihren Schoß; und so konnte ich, vorne neben R. sitzend, meinen Kopf etwas wenden und mit ihr sprechen. Ich dachte auch mal, ihr zu raten, sich wegen Veröffentlichung an die M Rev. zu wenden; aber als ich diese Zeitschrift erwähnte, schien kein besonderes Echo zu kommen. Ich sagte auch zur Erklärung dafür, dass China mit für Revolution ist wie Russland, dass dies verstehbar sei nach marxistischen Gesichtspunkten, dass das Verhalten durch die ökonomische Lage bestimmt ist: Russland gehört jetzt zu den have’s, aber China zu den have-not’s, und sie stimmte dem zu. Ich wollte auch noch über Prag sprechen, aber wir kommen nicht mehr dazu. – Schließlich Abschied und Gehen zum Flugzeug, schon im Dunkeln; die anderen Passagiere sind schon alle hinüber, aber wir haben Platzkarten. Im Dunkeln eilig hinüber und die Treppe hinauf, ins Flugzeug. Flug 19:00 – 19:50 (Mexicana 924) im Dunkeln nach Guadalajara.OGuadalajara Taxi zu Heini’s Haus. (Er bezahlt das Taxi; er hatte geschrieben, wir sollen Taxi nehmen, im Auto müsste er so lang am Flugplatz warten; das stimmt.) Jeder von uns bekommt 🕮\Jan. 1970. / (Guadal.) / Lago de Chapala\ ein schönes Zimmer mit 2 Doppelbetten und Badezimmer. Er hat für sich selbst ein einfaches Bett in sein Arbeitszimmer gestellt. – Das Haus ist erheblich größer als ich es mir nach den Fotos vorgestellt hatte. Elegante (aber altmodische) Möbel und Bilder. – (Nach diesem bewegten Tag mit Abschied und allem musste ich um 1h nachts nochmal ein Schlafmittel schlucken; dann schlafe ich bis 9h.)