74Tagebuch 15. XII. 1969 – 28. VIII. 1970 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 18. I. 1970

11 R. und Lorenza holen uns ab; zum Palácio de Bellas Artes: BalletFolklorico de Mex. 12 – 1 ½ (sehr reizvoll und interessant, mit Motiven von alten Tänzen in verschiedenen Gegenden, auch von den Mayas. (R. verweigert sich, Bezahlung für die Tickets anzunehmen!)) Dann fahren wir zu R’s Haus; H. zum ersten Mal. Herzliche Begrüßung von und von Dr. Fernando Wir essen mit der ganzen Familie am großen runden Tisch, mit vielen Späßen. Dann lege ich mich auf R’s Bett für nap, bis 4 ½. Dann Dr. Fernando Arizmendi, Psychoanalytiker, naher Freund von R., der bei ihm Logik und Methodologie gelernt hat. (Er sagt zu meinem Ausschnitt über Medizin zur Verbesserung des Gedächtnisses: Rib. ist in Mex. (noch) nicht erhältlich; KH3 aber doch. Seine Haupteigenschaft besteht darin, dass es dem Organismus hilft, Vitamine besser zu assimilieren (was im allgemeinen im Alter schwieriger ist). Er will die Frage noch mit Dr. Jinide besprechen, der hierin sehr kompetent ist; wenn er es billigt, kann ich es unbesorgt nehmen. 🕮\Mex. D.F\ Es werden im Vorgarten und beim Schwimmteich unzählige Fotos aufgenommen, von R, Ferdinando‚ und H.– Um 5h kommen wir endlich zu philosophischen Gesprächen. (R. sagt, dass sie versucht haben „Analyse“ oder „explanation“ (= meine Explikation, worauf er auch verweist) von Begriffen der Psychoanalyse. Ich erwidere: Das ist so ähnlich wie das, was Neurath tat mit Hollitscher und anderen: operationale Definition von Freudschen Begriffen, als Grundlage für Übersetzung von Freuds Theorie in wissenschaftliche Sprache. Ich erhob damals (von Prag nach Wien kommend) Bedenken: Die Begriffe wie „Verdrängung“ („suppression“), Ödipuskomplex, usw. sind nicht definierbar; es sind „theoretische Begriffe“ (wie wir sie später nannten), einzuführen durch durch Postulate und Korrespondenzregeln. Auf Wunsch von R. diktiere ich dies alles nochmal auf seinen tape recorder. Ich weise ganz darauf, dass die Situation in Psychoanalyse zwar komplizierter, aber doch im Grunde analog ist zu der von medizinischen Begriffen wie „Tuberkulose“; man führt sie ein durch Postulate und Wahrscheinlichkeitsangabe zwischen ihnen und geeigneten Symptomen.)

Dann kommt Jura Student Claudio Tapia mit Frau Rocio. (Er schreibt MA These von R. über juristische Begriffe; aber er kann schlecht Englisch; zuweilen übersetzt R; oder er spricht auf meinen Wunsch ganz langsam Spanisch.) Es ist so spät geworden; darum nehmen wir ihre herzliche Einladung zum Abendessen an. Danach zeigt L. uns das ms des zweiten Sohnes (R. sagt, er hat wirklich schöpferische Fähigkeiten) von einem Schauspiel (150 Seiten). Die Namen sind alle erfunden; dabei sind auch viele Illustrationen (eine Vermischung von schematisch-abstrakten und gemalten Formen); es kommen auch „die weisen Männer“ vor; R. sagt ihm, ich sei ein solcher weiser Mann. R. sagt, der Junge hat im Zeugnis fast alles 10 (das ist die höchste Marke). – Nach 9 fährt R. uns ins Hotel. (Er fragt H. nach ihren Erlebnissen während des Krieges; aber es kommt nicht mehr zu eingehenderem Gespräch darüber.) – Noch geschrieben bis 12. 🕮\(Jan. 1970. / Hans Arnold) (Mex. D.F.) / (Walter und Grete) (Grete: Universität, Xochim.)\