74Tagebuch 15. XII. 1969 – 28. VIII. 1970 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 27. XII. 1969

Vormittags ins Museo. (Da sind die Sachen aus den Ausgrabungen von Monte Alban, hauptsächlich aus den Gräbern. Fabelhafte Goldschätze: ein Stirnband mit Feder, Armbänder, Ringe, auch viele Halbedelsteine und Knochen, die mit scharfen Steinen geritzt oder durchlöchert sind, und Perlen, zuweilen groß wie ein Daumennagel, mit unendlicher Geduld, Mühe, und Geschicklichkeit gemacht, um vom König oder Hohenpriestern getragen zu werden. Solche Schätze hat Montezuma dem Cortez geschickt, als der ihm Aufforderung überbringen ließ, sich zu übergeben; er wollte damit C. bewegen, wieder abzuziehen; aber die reichen Gaben machten C. noch habgieriger, und so wurde die Eroberung mit vielen blutigen Opfern durchgeführt.) – Nachmittags Chacha, H. und ich zu Dr. (Jorge Gonzalez) Mayorga, einem Augenarzt, 85 Jahre alt. (Er erkennt sofort, dass ich Kataraktoperation hatte und erklärt es seiner Frau, und dass meine dicke Brille aus Plastik ist. Er lebte früher in Mex., zeigt uns ein Foto von einem großen Haus in schönem Garten dort. Jetzt hat er eine einfache Wohnung Parterre an einer ärmlichen Straße nahe bei der San Domingo. Er hat sich selbst einen Plattenspieler gebaut, und spielt eine Platte. Er liest ein Gedicht vor, und gibt er eine Kopie; er liest es mit starken Gefühlen. Dabei fangen die Glocken der Kirche sehr laut an zu erschallen. Seine Frau unterbricht ihn, und sagt, er soll warten, bis sie aufhören. Er erwidert ihr: Die Glocken (ich glaube die „campanilas“) sind Heinis Freunde; da kommt ein camion vorbei und er zeigt darauf und sagt: „Das sind meine Feinde“. Er zeigt uns ein anderes Zimmer mit vielen Büchern in einem breiten Regal: eine Reihe Dichter, eine Philosophie, eine Naturwissenschaften; er sagt, er hatte in Mex. eine viele größere Bibliothek. –🕮\Yaagul\