74Tagebuch 15. XII. 1969 – 28. VIII. 1970 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 19. XII. 1969

Vormittags fahren wir Straße nach S, durch die Stadt, am Flughafen vorbei, später linke Seitenstraße nach Sto. Tomas, zur Töpferei der Rosita, sie ist eine alte Frau, mit hagerem Gesicht und tiefen Furchen, charaktervoll. Sie sitzt auf dem Boden und zeigt die Produktion eines vasenförmigen Gefäßes aus einem Klumpen Ton. Den setzt sie in eine kugelförmige Schale, die auf einer umgekehrten Schale steht; dadurch wenig Reibung und leichtes Drehen: Zeichnung. Sie hat schwärzlichen Ton; allmählich entsteht eine hohle Vase. Zuletzt reibt sie ihn mit einem Stein; dadurch wird die 🕮 Oberfläche glatt, als ob sie glasiert wäre; ebenso macht sie mit dem Stein aus freier Hand Zierlinien auf den Topf. An der Wand stehen Gestelle mit unzähligen anderen Sachen aus dem schwarzen Ton. H. hat vor, mit Erika nochmal herzukommen, und allerhand zu kaufen; die Sachen sind unglaublich billig. Sie sagt, Nena hat eine Methode, um Sachen in einem Korb zu verschicken so, dass sie nicht brechen. – Wieder zurückgefahren. In der Stadt machen wir Besorgungen. Ich mit H. in pharmacy (für Glyz suppos); dann in mehrere Buchhandlungen für Taschenwörterbuch und Büchlein mit Fragen; ich kaufe 2, aber ich sehe nachher, dass sie doch nicht sehr nützlich sind (ein Jammer, dass ich in LA die nützlichen Büchlein, die ich kurz vorher benutzt habe, nicht finden konnte). Dann alle zusammen nach Hause. – Nachmittags ist hier Frau Irmgard Grote (aus Deutschland, aber wohl schon länger hier in Mexiko; mit Nena befreundet. Sie fotografiert, vielleicht für Bücher; vielleicht auch ?

Abends 9h zum Nachbarhaus; Amerikaner ; dort ist eine Posada. Kinder singen vor dem Gartentor (wie Josef, Maria und das Christkind vor der Herberge) „bitte lasst uns hinein“, aber werden immer abgewiesen; schließlich zugelassen. Dann singen sie und beten; wir sitzen mitten zwischen ihnen; nette kleine Kinder dabei, die uns neugierig anschauen, aber dann auch lächeln, wenn wir sie freundlich anschauen. Jeder kriegt ein Päckchen in die Hand verteilt (sehr einfache Kekse, gebackene Erdnüsse und dergleichen; Chacha sagt, sie bringt es der Köchin mit; ich sage, dann meins für das andere Mädchen). Nachher gehen wir durch den Garten zum Ausgangstor; Chacha verabschiedet sich von unzähligen Leuten und Kindern; die Gastgeber treffen wir fünf mal dabei, und geben ihnen immer wieder die Hand zum Dank.)