72Tagebuch 4. I. 1968 – 31. XII. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 18. V. 1968

Hanneli hat auf dem Tisch: die große dicke rote Kerze, und Sachen für mich: ein beiges Hemd mit Ärmeln, eine Flasche deutschen schwarzen Johannisbeersaft, und anderes. 11 ½ – 3 Mia und Wim hier. (Ich fahre mit beiden zum Ozeanpark, und wir gehen oben spazieren am Rand des Absturzes, wo man schön aufs Meer schaut. Über die politische Lage; ich sage, ich werde wahrscheinlich für McCarthy stimmen, am 4. Juni; ich glaube, das Wichtige ist, dass Kennedy und McCarthy zusammen Humphrey übertreffen; wenn so, dann ist Zeit genug für beide, sich vor der convention zu einigen, sodass ihre Stimmen zusammen gegen die von Humphrey rechnen. –🕮\(bei Kaplans)\ Über Konflikt der Generation; ich erzähle, dass Toby Hempel heimlich einen orthodoxen Juden geheiratet hat. Wir sind einig, dass Armut und Arbeitslosigkeit nur dann wirklich überwunden werden können, wenn die Gesellschaftsordnung geändert wird; Wim ist entschieden gegen das „garantierte Minimumeinkommen“, weil es Wohlfahrt ist und daher herabsetzend wirkt. – Beim Mittagessen auch wieder über die Generationen: Problem von Jim; ich habe ihm geraten, doch die wenigen Wochen noch zur Schule zu gehen, damit er das diploma bekommt, aber er wollte seinen Bart nicht aufgeben, was die Schule verlangt. Jetzt sagt aber Hanneli: Er hat sich nun doch rasiert, weil das nötig war für einen job. Ich: Wieso ist der job ihm wichtiger als das diploma, das doch gut für college ist; aber Hanneli berichtet, dass er eigentlich nicht aufs college möchte, sondern nur seine Mutter ihn drängt. Wim sagt: Viele Leute haben Angst vor der akademischen Karriere. Ich: Das ist der Fehler ihrer Lehrer in der Schule; die haben sie abgeschreckt anstatt angezogen zum Lernen; für mich war „Lernen“ immer etwas Anziehendes, weil meine Mutter es anziehend gemacht hatte. Jim: Das ist aber auch Typensache; ich sei eben stärker für Intellekt; Jim wahrscheinlich nicht. Ich: Ja, vielleicht mehr für Kunst und Musik. Wir sind uns einig, dass es verkehrt ist von Eltern, ihre Kinder zu drängen in gewisse Laufbahnen, die ihnen nicht liegen. – Sie werden Ende Juni nach Israel fliegen, um seinen Bruder mit Familie zu besuchen, wie schon mal vor Jahren; damals hat Bar-Hillel ihnen Universität und anderes gezeigt sehr freundlich.) – Nachmittag Gutachten für Bunges Projekt beim Canada Council aufgesetzt und getippt. –