72Tagebuch 4. I. 1968 – 31. XII. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 27. XII. 1968

8:30 Dr. Straatsma. (Ich komme sofort dran; dies scheint also die günstigste Zeit zu sein. Das Lesen der beleuchteten Buchstaben mit dem operierten Auge, mit Brille, wo der Dr. immer die Linsen austauscht, geht diesmal schlechter als ich es vom vorigen Mal erinnere. Ich sage ihm, dass ich enttäuscht bin, dass die zweite Operation erst für Anfang Febr. angesetzt ist; dazwischen wird die Zeit, bis ich zu meiner research Arbeit zurückkehren kann, sehr verlängert; er sagt, er will sehen, ob sich etwas machen lässt. Er sagt, das schlechte Lesen ist infolge des glaucomas.) –H. und Erika sind sehr beschäftigt mit Vorbereitungen für die heutige Party. (Es waren etwa 15 eingeladen, für 5h; aber um 6h waren erst 4 Leute erschienen. Erika sagt tapfer: „Die sind alle auf dem freeway verzögert“; aber ich machte mir Sorgen, dass vielleicht keine weiteren kommen würden; und Erika, nach all den reichlichen Vorbereitungen und , in Tränen ausbrechen würde. Aber dann kamen doch noch eine ganze Menge. 4 : Nick (mit Bart, sehr interessiert an vielen Sachen, erzählt interessant von Sta. Cruz; dort ist er am college für Sozialwissenschaft); Scotty (ganz langes Haar bis auf die Schultern; ich halte ihn zunächst für ein Mädchen und frage ihn, was er sei); von früher her kannte ich den Neger Ike und einen Mike? 🕮 Ein Mädchen Anne, und Heidi Krauss (eine Freundin von H. aus Starnberg, lernte Singen an der Münchner Musikschule; in den Zwanzigern, hübsch, dunkles Haar, glatt gescheitelt; ich setze mich zu ihr an den Tisch, und nachher neben sie auf Stühle im Wohnzimmer; ihr Vater hatte auch Kataraktoperation, aber Jahre auseinander, sodass er letzte Zeit sehr beschränktes Sehen hatte. Sie hat den Negersänger Smart singen hören, aber kennt ihn nicht persönlich. Sie preist die guten Veranstaltungen hier in LA am Musikcenter und an UCLA.) – Erika hat Nick meine Bücher gezeigt (und er hat die „Physik“ mit ins Wohnzimmer genommen und heute und morgen daraus gelesen; aber doch wiederum sehr wenig verstanden, weil er nichts von Logik weiß; er will Journalist werden, ist politisch sehr interessiert, hat das Buch von Sweeny und Huberman über Kuba42Vermutlich: Leo Huberman/Paul Marlor Sweezy, Cuba. Anatomy of a revolution, London 1961. gelesen, und wir sprechen darüber. Er ist left und hat schon in Ojai eine „undergrad Schülerzeitung“ herausgegeben, will das auch in Sta. Cruz wieder tun. Er ist ganz gescheit, spricht gewandt und hat lebhaftes Interesse an politischen Vorgängen; er hatte gehofft, dass McCarthy nominiert werden würde.) Abends machen sie alle noch Gesellschaftsspiele; aber H. kann ihr Blatt nicht finden, wo sie sich vieles notiert hatte. – Um 9h ziehe ich mich zurück, höre Radio im Bett; zweimal kam jemand in mein Zimmer, auf der Suche nach dem Badezimmer. Nach 11h gehen die letzten fort.