69Tagebuch 31. XII. 1964 – 31. XII. 1965 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 29. VIII. 1965

Nach 10h fährt Hans Arnold mit mir zu Helga in Quickborn (ca 30 km von Hamburg. Er fährt lange im Ort; ich fordere ihn unzählige Male, vor und nach dem Unfall, auf, jemanden zu fragen; er ist eigensinnig dagegen; später sagt mir Hanne, dass das typisch für ihn ist, er hat starke Gefühle dagegen, seine Unkenntnis zu offenbaren. Während er 🕮 sich umschaut, vielleicht nach dem Namen der Querstraße, fährt er in eine Kreuzung hinein, während von rechts ein Auto auch hineinfährt, früher als wir; ich nehme als selbstverständlich an, dass er bremsen wird, er fährt aber einfach weiter und mitten in die Seite des anderen Autos hinein, eine fast unverständliche Kollision; er sagte mir nachher, er habe das andere Auto gar nicht gesehen. Das Vorderteil seines Autos ist stark eingedrückt, die Schutzstange ist zurückgeschoben; am anderen Auto ist ein entsprechender Teil der Seitenwand eingedrückt. Mein Knie stösst gegen die Unterkante des panels, und meine Stirn oben gegen den hochgekippten Sonnenschutz, an beiden Teilen keine Verletzungen. Hans Arnold geht zu dem anderen Fahrer, der mit Frau und mehreren Kindern im Auto saß, gibt anscheinend seine Schuld zu und zeigt ihm die Versicherungskarte. Das andere Auto fährt weiter, den Insassen ist anscheinend nichts passiert. Ein Mann kommt mit Werkzeugen und biegt und haut den fender so hinaus, dass alle vier Räder wieder mit dem Steuer frei bewegt werden können. Hans Arnold fragt ihn um Namen und Adresse (ich sage, ich kann ihm Geld geben, wenn er ihn bezahlen will, aber das will er nicht annehmen) und gibt ihm seinen Namen. – Dann sucht er wieder lange herum, ich bitte ihn mehrmals, anzuhalten, damit ich jemanden auf meiner Seite fragen kann, aber vergeblich.) Endlich findet er das Haus von Clagetsoder Clay’s?. (Ich begrüße Helga herzlich; ihr Mann Range ist beruflich fort; da sind die großen Kinder Marliese und Klaus, die ich von Mexiko her kenne, und die kleine Ingrid, Tochter von Range. Das Haus ist sehr nett, geräumiger als ich dachte; das Wohnzimmer ist sehr nett eingerichtet mit modernen Möbeln 🕮 und Buchregal an Eisenschienen in der Wand, ohne vertikale Stangen vorne. Schöner großer, gut gepflegter Rasen und schöne Blumen; sie sagt, dass der Garten doch viel Arbeit kostet. Der Verlag Schnelle48Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Verlag_Schnelle, für den sie hauptsächlich arbeitet, ist zufällig in demselben Ort; der hat eine besondere Methode der Raumanordnung erfunden; die ganzen Büros einer Firma sind in einem großen Raum, getrennt nur durch wenige halbhohe Wände; keine Korridore. Sie will mir ein Buch über Maschinen-Lautschrift schicken, das bekommt sie anscheinend frei.) Wir fahren zurück, und gerade wie wir vor dem Küstermann Haus stehen, kommt Friedrich von Rohden über die Straße (er ist nach Hamburg gekommen, weil sie nachmittags Freunde besuchen, er hat einen früheren Zug genommen.) Wir vier fahren zur Elbchaussee, und über Stadt hinunter, und kehren ein im Restaurant Jakob, dicht an der Elbe, gegen den riesigen Kran der deutschen Werft (ich sitze am Fenster, wir sehen immer Boote vorbeifahren, auch ein Flügelboot, Aquafoil, dessen vordere Hälfte oberhalb des Wassers ist und das außerordentlich schnell fährt. Friedrich ist munter und erzählt allerhand; er ist noch im Garten tätig, hat auch noch Patienten, aber weniger. Marianne hat eine Art Lähmung in beiden Händen und kann daher manches nicht machen, was er dann tut. Er spricht auch von Wilhelm in Naumburg; ich sage, dass Annemarie in die Ostzone fährt und möglicherweise von meinem Konto an Wilhelm Überweisung machen wird. Eins von Friedrichs Augen funktioniert nicht mehr; trotzdem fährt er noch Auto, zu Besuchen, Konzerten, Theater, usw.; aber er will es doch bald aufgeben.) (Mal spreche ich🕮– Abends sind wir drei noch zusammen. – Arnold ist für Geschäfte nach München.