69Tagebuch 31. XII. 1964 – 31. XII. 1965 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 21. VIII. 1965

Ich gehe mit Franz Richtung Ferchensee. (Ich sage ihm, dass meine Toleranz im Fall Pasquinelli gute Erfolge gehabt hat. – Über mögliche Sprachreformen, und Flitners starke Reaktion dagegen.) – Nachmittags wir alle unter dem großen Baum (Chacha macht Fotos.) – 5 ½ – 7 der moderne Komponist Georgy Ligeti spielt Tonbänder von 3 seiner Kompositionen aus den letzten Jahren. (Franz sagt, L. ist einer der 6 bedeutendsten modernen Komponisten in der Welt. Er spielt: (1) „Avanture“, eine Quasi-Oper mit 3 Singstimmen und Kammerorchester. Die Singstimmen singen nicht wirkliche Worte, es klingt aber so, als ob sie streiten oder klagen usw. (2) „Volumina“ für Orgel (ein Organist und 2 Registranten. Der Organist drückt oft alle Tasten eines angegebenen Intervalls nieder, mit sämtlichen Halbtönen; dadurch kommen viele Schwingungen hinein. Wenn der Registrant sehr schnell mehr und mehr Register zieht, so kann dadurch ein crescendo bewirkt werden, obwohl alle Orgeltöne immer dieselbe Lautstärke haben. Das Stück ist besonders eindrucksvoll, die Klänge sind 🕮 zwischen reinen Tönen und Geräuschen, wie Meeresbrausen oder heulender Wind; so gibt es Eindruck von großen kosmischen Volumen, die daher brausen oder zischen oder krachen.) (3) „Requiem“, mit 2 Chören und Orchester; der eine Chor hat 20 Stimmen (!), der andere 5; der erste Chor klingt daher auch wie ein brausender Sturm, auch wieder geräuschartig und auch mit Tönen.)