69Tagebuch 31. XII. 1964 – 31. XII. 1965 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 15. VIII. 1965

Vormittags mit Roh und Flitners spazieren. (Roh sagt Flitner, er ist erstaunt und möchte eine Erklärung haben, warum Fli. immer noch an einem persönlichen Gott festhält. Ich sage, das ist keine gute Frage; alle Leute behalten gewöhnlich an Auffassungen und Ansichten fest; wenn einer seine ändert, so bedarf das einernOriginal der an. Erklärung.) – Mittags und abends mit Dr. Michels und Frau (er ist Ohren- und Nasenspezialist 🕮 in München; nette Leute.) – Nachmittags kommt Humburg nochmal, obwohl nicht eingeladen, zum Tee (Gespräch über Einführung der Mengenlehre in die Schule; Flitner ist zornig darüber, ich verteidige es. Humburg nimmt eifrig und gescheit Anteil am Gespräch. – Mit ihm auf meinem Zimmer und noch einigers besprochen. Er hat jetzt Assistentenstelle bei Stegmüller, obwohl dazu eigentlich Doktor nötig ist. Stegmüller weist ihm Arbeiten zu; z. B. jetzt: ein summary zu schreiben von meinem AS; ich sage, das würde mich interessieren, vielleicht kann ich es verwerten für summaries, die ich vielleicht zu den einzelnen Sektionen schreiben will.) – Abends mit Flitners und Roh im Teesaal. (Dr. Marseille kommt und liest uns aus Briefen von Russell vor. Es zeigt sich wirklich, dass Russell vergessen hatte, dass er nach dem Krieg befürwortet hatte, an Russland ein Ultimatum zu stellen, UN-Überschau zu akzeptieren und Androhung von Krieg; damals hatte Russland noch keine Atomwaffen. Später hatte Russell das vergessen und drohte Marseille und einem anderen, sie anzuzeigen wegen Verleumdung; nachher schrieb er, sie hätten Recht, er sei amazed darüber; was er damals veröffentlicht hatte und haben kein excuse dafür. Marseille hat seine 14jährige Tochter dabei, die ist soeben aus Amerika hergekommen.)