69Tagebuch 31. XII. 1964 – 31. XII. 1965 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 27. III. 1965

Notizen über gestrige Diskussion geschrieben. – Um 5 holen wir Lorenzen ab in Rieber Hall, und fahren zu Robinsons, 5 ½ – 8 ½. (L. zeigt mir sein Buch über Differential- und Integralrechnung auf konstruktivistischer Basis. – Er ist jetzt 2 Monate in Stanford, macht mit Suppes Experimente mit Kindern, hinunter bis zu 8 Jahren, zum Lernen der Logik aufgrund der dialogischen Methode. Dann geht er für den Sommer nach Erlangen zurück. Im Herbst kommt er nach Austin, zu der Universität von Texas. Er fragt, wie ich das Leben in amerikanischer kultureller Atmosphäre aushalte. Ich sage, in Universitätskreisen ist das ja nicht so; die fortschrittlichen Amerikaner kritisieren das selbst auch. Hanneli sagt, auch in Deutschland gibt es ja genug Unerfreuliches. –🕮 Mit Lorenzen und Robinson noch weiter über Konstruktivismus. Beide sind auch lebhaft interessiert an Geschichte der Mathematik; Lorenzen will dabei herausfinden, wann und wodurch in verschiedenen Phasen der Geschichte die (falsche) Idee eines aktuell Unendlichen aufkam; zuweilen kam dies aus der Theologie. Ich: Ja, bei Cantor. Aber sie sagen: nicht wirklich; Cantors Vater und danach er selbst waren schon getauft; nur Fraenkel ist jüdisch-religiös, und das färbt seine Darstellung. Cantor wollte nur einfach Bundesgenossen suchen, wo immer er sie finden konnte. –Frau Robinson ist aus Wien. Sie hat ein fabelhaft elegantes und leckeres Essen gerichtet, aber zu reichlich. – 8¾ fahren wir nach Hause.) – (Sehr schlecht geschlafen.)