69Tagebuch 31. XII. 1964 – 31. XII. 1965 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 26. I. 1965

10 Zetkins hier. (Ich spreche zunächst mit ihnen allein, Hannelie geht einkaufen.) Nochmal über Inas Depression; Problem von Schockbehandlung, Friedrich von Rohden, Friedman, Meehl, Mott; sie meinen: keine wesentliche Persönlichkeitsänderung; aber mit Ina war es nicht möglich gegen ihren Willen. – Ich bitte Gertrud, einige Schmuckstücke von Ina anzunehmen; sie nimmt einiges; auch Nembutal, sie nehmen 100, obwohl ich ihnen gern mehr geben wollte. – Vor dem Mittagessen gehe ich mit Kostja 40 Min. spazieren. Er sagt, Ina war so ein wesentliches Stück in ihrem Leben, schon immer seit Prag; bei der Nachricht von ihrem Tod hätte er eine arge Erschütterung erlebt; er hatte das Gefühl, als habe plötzlich das Leben keinen Inhalt mehr; sie war ein mutiger Mensch und eine Stütze für andere, ganz besonders für sie in Prag; sie sei einer der wenigen Menschen, der ein echter Sozialist war; während die meisten der Politiker, kommunistische und sozialistische, zwar bereit waren, sich für den Sozialismus aufzuopfern, aber auch andere aufzuopfern, waren sie doch nicht Sozialisten als Menschen, sie lebten nicht persönlich ein sozialistisches Leben; und das tat Ina. (Es ist nicht ganz klar, was er meint; vielleicht ihre starke Bereitschaft für Hilfe und innere Stützung.) Nachmittags fahren wir zur 🕮 Ozean Avenue, und gehen lange am Meer entlang spazieren. Gertrud zeigt uns Fotos von ihrem Häuschen; vor kurzem war es in hohem Schnee.