66Tagebuch 23. V. 1962 – 31. XII. 1962 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 16. VII. 1962

An pr. – Nachmittags 4-10(!) bei Mia (mit Wim, und Schoenman. Sehr angeregtes Gespräch. – Wenn keine Katastrophe kommt, ist er pessimistisch für die Menschheit; nicht so sehr wegen Beschränkung der zivilen Freiheiten (ich sage, dass ist hauptsächlich durch Angst vor Krieg und wird langsam verschwinden, wenn Weltregierung da ist), als durch Einförmigkeit der industriellen Arbeit und Inhaltslosigkeit des Lebens; der „Massenmensch“ und „Organisationsmensch“. Ich verteidige dagegen meinen (bedingungsweisen) Optimismus: Wenn wir Kriege abschaffen und die Wirtschaftsorganisation vernünftig einrichten, so werden die Menschen von selbst beweglich und schöpferisch, weil jedes Kind so ist, wenn es nicht unterdrückt wird. Wim stimmt mir lebhaft zu. Ich bin selbst erstaunt, wie ich lebhaft und mit Gefühl sprechen kann. – Schoenman sagt, dass so etwas wie sie in England tun, nicht leicht in Amerika möglich ist, aber sie denken, dass ihre Tätigkeit indirekt auch Amerika hilft, und ich stimme zu. – Ich sage, ich will vielleicht kleine Stücke aus meiner Autobiographie verwenden, um etwas für seine geplante Russell-Festschrift zu schreiben; aber das könnte ich erst im Herbst, wenn überhaupt; ich kann jetzt nichts 🕮 versprechen. Er sagt, er wird den ganzen Plan lieber verschieben, damit er noch mehr Beiträge bekommen kann. – Beim Abschied sagt er, ich soll ihn „Ralph“ nennen.)