66Tagebuch 23. V. 1962 – 31. XII. 1962 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mi 6. VI. 1962

3 ½ – 7(!) Diskussion mit 8 grad. Studenten hier. (David hat die ausgesucht, die mindestens in 3 Seminaren von mir enrolled waren. Außer ihm kommen: Champawat, Leiter, Annese, Söderström. Clifford, Friedman, Cocchiarella (Purtill war eingeladen, ist nicht gekommen, vielleicht schon weggefahren.) – Kein bestimmtes topic; sie sollen Fragen stellen. – David fragt, wie ich heute den „Logischen Aufbau“ machen würde. Ich sage: mehr primäre Relationen zwischen Sinnesdaten oder Komponenten davon. – David: Welcher Grund für Dingsprache ist der wesentliche, Intersubjektivität oder direkte Beobachtbarkeit? Ich: Vor Wien wollte ich auf „das Gegebene“ hinaus; durch Neuraths Einfluss kam Betonung von dem sozialen Charakter von Sprache und Wissenschaft, und daher Betonung der Intersubjektivität. Ich weise hin auf neues Vorwort zu „Aufbau“. – Cocchiarella interessiert sich besonders für „Aufbau“, möchte die neue Auflage kaufen; ich gebe ihm die Wahl zwischen dem, für $ 5, und einem broschierten Ex. der alten Auflage; er nimmt das letztere. – David fragt, was ich 🕮ich als Gebiete ansehe, die versprechend sind für Anwendung von symbolischer Logik und meiner analytischen Philosophie für einen jungen Mann zu bearbeiten, wo wichtige Ergebnisse zu erhoffen sind, in 5-10 Jahren. Ich: Die Männer in Psychologie und Sozialwissenschaft sollten einiges Logik lernen, Begriffs- und Theorienbildung; aber sie sind noch nicht reif für symbolische Logik in weiterem Ausmaß und für Axiomatisierung. Physik ist mehr als reif; sie steht da, wo Mathematik war um 1900; sehr wichtig, dass sie Logik und Methodologie lernen. Über die erstaunliche response der Physiker in Princeton, und zu Suppes Axiomatisierung, und Weyls Rezension von Reichenbach. David fragt: Was mit Semantik und Logik selbst. Ich: Da ist gewiss viel Arbeit zu tun an vielen Einzelproblemen; aber die Grundarbeit ist getan. Ausnahme: nicht-exakte Sprache; Entwicklung einer umfassenden modalen Logik wäre wichtig, dann auch Logik von „Se“ wie Church; und dann beides auch in Metasprache für Semantik; ich weise hin auf meine replies in Schilpp. – Friedman fragt nach Axiomatisierung von Metaphysik. Ich: Gewiss nötig, wo die Begriffe einigermaßen klar sind; z.B. Malcolm über das ontologische Argument, und die Diskussion darüber; Malcolm musste sein System von Modallogik mit Quantifikation angeben. – David: Wie steht es mit der Analyse von Wertaussagen? Ich: Ich habe die Erwiderung auf Kaplan geschrieben, ohne das Gebiet richtig zu kennen; es wäre aber eine lohnende Aufgabe für jemand, der mit Werttheorie und ihrer Anwendung in Politik, Erziehung, 🕮 usw. gut Bescheid weiß, so etwas zu unternehmen und gleichzeitig alle die wesentlichen Begriffe, „Verantwortlichkeit“, „Verpflichtung“, usw. zu explizieren.) In der Pause bietet Ina Kaffee und Dubonnet an, sie nehmen alle das letztere; ich lasse jeden sein 5 papers wählen aus einer großen Menge, die ich auf dem Tisch ausbreite (ditto replies und andere ditto Sachen). Mitten in der Diskussion kommt auf einmal Ina und sagt, dass es 7h ist! Es scheint mir ganz unglaublich! Sie nehmen Abschied von uns beiden; Ina sagt ihnen, dass der Abschied von ihnen mir schwerer fällt als der vom department. Sie waren sehr angetan und interessiert in der Diskussion, und bedanken sich sehr. Mir aber war es ein großes Vergnügen, und ich bin nachher nicht müde, sondern aufgekratzt.