RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Ich ziehe um in Zimmer 202, auch 2 Betten. Der andere Patient ist ein alter polnischer Jude, Mr. Schuchman (beinahe 80 Jahre alt; im Alter von 20 nach Amerika gekommen, wenig Schulbildung, aber viel Erfahrung mit Menschen, er hat mit vielen Sachen gehandelt, meist Möbel; hat 3 verheiratete Töchter; seine Frau ist vor 6 Jahren gestorben, er fühlt sich sehr einsam; zuweilen lebt er bei der einen oder anderen Tochter, aber nicht zu lange. Meist hat er ein bachelor apartment. Er ist freundlich und nett; aber wir verstehen uns nicht leicht, wegen verschiedenem Akzent und Dialekt. Einmal in der Nacht schnarchte er so sehr, dass ich beschloss, ihn aufzuwecken; ich machte lautes Geräusch mit den klappernden Bettmetallstangen, und mit Rufen. Endlich wachte er auf. Ich sagte, sein Schnarchen verhindert mich am Schlafen, er möchte bitte seine Lage ändern. Er versteht mich gar nicht, fragt aber immer weiter, besorgt und freundlich, ob ich etwas benötige usw. Schließlich sage ich: Ihr Schnarchen, lautes Atmen, macht so viel noise, dass ich nicht schlafen kann. Darauf er: „Oh, the noises! Ist das Ihr trouble?“ Ich: Ja, das ist dies. Er: Ich kann ihnen helfen, einen Augenblick! und dann läutet er, und das Signallicht bei seinem Bett geht an. Ich: Nein, nein, läuten Sie nicht! Das ist nicht, was ich meinte. Aber es war zu spät. Dann kam die nurse