62Tagebuch 30. XII. 1959 – 24. XII. 1960 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 18. I. 1960

Etwas jittery, im Bett geblieben, aber öfter aufgestanden. – Physik V revidiert. – Ich entschließe mich, doch selbst zu fahren. 2 zu Dr. Mott. (Vorige Woche Di Seminar noch schwierig, aber von Donnerstag ab ging’s mir besser. Aber auch heute morgen noch jittery; andererseits freute ich mich, herzukommen. – Inas Brief an Woodger, der war mir zu heftig; schließlich gab sie nach, dass mein Brief ohne ihren geschickt werden könnte. – Ich: Heftige Emotionen im wirklichen Leben beunruhigen mich sehr; 🕮 aber in Romanen oder TV scheint es mir oft ganz natürlich, zu den Menschen passend. Er: Ob ich gestern „Dr. Arrowsmith“ von Sinclair Lewis im TV gesehen habe. Ich: Ja; und wie emotional A. war; aber ich dachte mir: Das passt zu ihm, und ohne das könnte er auch nicht so viel in seiner Arbeit sich einsetzen, und seine Frau lieben. Er: Und was über Dr. Gottlieb? Ich denke eine Weile, was er wohl meint; dann: Der Konflikt in A. hat mich gepackt, durch den Brief von G. . Er zitiert: „Viele Menschen haben Freundlichkeit und Mitleid, aber nur wenige können Erkenntnis geben. Im Grund stimmte ich ihm zu. Aber ich fühlte auch sehr mit A. mit, dass ihn das in Konflikt brachte mit dem Gefühl, den Menschen helfen zu wollen. Ich habe oft über dieses Problem gedacht bei politischen Überlegungen, Revolution oder Weltregierung und dergleichen; ich bin dafür, radikale Maßnahmen zu machen, auch wenn die Menschen gegenwärtig darunter leiden; aber dann wird es der Generation nach der nächsten besser gehen. – Über Wachträume; nach langen Monaten letzthin mehrmals Astrid; vielleicht als Trost für mein Homo? Er: Das Gefühl geht wohl so, wenn auch inkonsistent: Die und die Frauen haben es auch, also ist es nicht schlimm, dass ich es habe; und dann auch: Nur die haben es, und ich nicht; oder auch: Ich will es auch haben, aber nur, um mit denen mich gleich zu fühlen.) – Auf der Fahrt nach Hause Blumen für Ina. – Nachmittags eine Stunde mit Ina gesprochen, über einiges bei Dr. Mott, und über Arrowsmith, und Woodger, und Popper. Sie sagt, in der Zwischenzeit war ich viel schweigsamer; es wäre gut, wenn ich jetzt durch durch Dr. Mott wieder etwas mehr auftauen würde. – Physik V fertig revidiert, mit langer Einfügung.