60Tagebuch 1. I. 1957 – 4. III. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 7. VII. 1958

12h zu Dr. Mott. (Heute früh beim Aufwachen hatte ich Gefühl gegen Herkommen, als hätte er mir letztes Mal Vorwurf gemacht, dass ich etwas verkehrt gemacht hatte. Dann fiel mir ein, das war der Polizist, nicht er! Das scheint seine Deutung zu bestärken, dass ich ihn und den Polizisten identifiziere. Er: Ich mache ihn für alles verantwortlich, weil ursprünglich die Mutter für alles, Schlechtes und Gutes, verantwortlich war. – Über Weltregierung. Er macht mehrmals Fragen, die mich weiterführen. So werde ich verleitet, lange und ausführlich zu erklären: Die Beschlüsse richten sich, wenn möglich, nach Mehrheit der Menschheit; bei drängenden Sachen auch ohne das; bei nicht drängenden warte ich lieber einige Jahre und versuche inzwischen einige Regierungen zu überzeugen. Er: Schließlich danke ich dann ab? Ich: Das ist Konflikt. Ich möchte die Macht behalten; aber es scheint besser, dass schließlich, wenn Weltwahlen möglich sind, das gewählte Parlament eine neue Regierung bestimmt; vielleicht behalten sie einige von uns; andernfalls gehen wir dann. Auf einmal sage ich: Nun habe ich so lange über Sozialismus geredet! Er: Gut, dass ich endlich mal darüber gesprochen habe. Ich: Ich scheue mich, hierüber zu Freunden zu sprechen, auch über internationale Sprache; ich fürchte, dass sie sich über meine geliebten Ideen lustig machen. Sie nannten mich als Knaben einen „Weltverbesserer“. Alles dies schien ihnen kindisch und utopisch. Er: Da steckt wohl noch mehr dahinter.) – Mittags erzähle ich Ina davon. – Nachmittags Autobiographie. –