60Tagebuch 1. I. 1957 – 4. III. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 18. IV. 1958

Travis hier 10 – 12 ½! (Über seinen neuen Thesisabriss. Er macht interessante Anwendung von kybernetischen Begriffen.) – 4-nach 6 Vortrag Barrett über Existenzialismus. (Nur Profs und Grad Studenten von Philosophie dabei. Die Studenten (Kaplan, Ine, Josef) machen gute Einwendungen gegen B’s falsche Gegenbeispiele gegen Problem von Nicht-Widerspruch und Problem von Identität. Zum Schluss spreche ich ausführlich: Er hat gut unterschieden zwischen dem ethischen Teil und der Lehre. Der ethische Teil ist wichtig und interessant, weil einflussreiche Bewegung. Aber was mit den Behauptungen? Wenn man versucht, sie buchstäblich zu nehmen, sind sie absurd oder unverständlich. Ich glaube, sie sind irreführende Formulierungen für Appelle, missverstanden bei den Autoren selbst. Das hat die bisherige Diskussion gezeigt. Ambivalenz ist sehr wichtige Einsicht; aber es bedeutet nur: Liebe und Hass sind zugleich möglich; nicht: Liebe und Nicht-Liebe, wie er es auch formulierte. Er sagt: Die Lehre ist doch wichtig, gibt Einsichten über das Erleben des Menschen. Ich: also psychologische Interpretation. Ich erzähle von Davoser Diskussion zwischen Heidegger und Cassirer. Heidegger lehnte Cassirers Interpretation als introspektive Psychologie mit Entschiedenheit ab. Ich sehe nicht, was dann noch an kognitivem Gehalt bleibt. Einige schnelle, lebhafte Wortwechsel zwischen Barrett und mir, und auch einigen Anderen. Dann Schluss. Nachher sagt Montague mir, meine Diskussion war wundervoll.) Mia fährt mich hin und zurück; bleibt zum Abendessen und später bei Ina.