60Tagebuch 1. I. 1957 – 4. III. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mi 15. I. 1958

10:30-3 Braithwaite hier. (Er spricht sehr lebhaft und schnell. Er ist sehr intelligent, fasst schnell auf, was ich sage. Er spricht zwar gern selbst; ist aber, zu meiner Überraschung und Freude, auch willig und verständig im Zuhören. Er erklärt mir Eddingtons Auffassung; E. selbst hält die Principia wohl für eine Art von synthetisches Apriori; aber sie können besser so interpretiert werden, dass sie ein theoretisches System darstellen ohne Postulate, nur \(\equiv \)-Sätze als Korrespondenzregeln, die man gewissermaßen als Definitionen von Beobachtungstermen aufgrund der theoretischen Termauffasungen kenne (umgekehrte Definitionen sind nicht möglich). Er sagt, man könne zeigen, dass aufgrund solcher Sätze alleine auch empirische Generalitäten ableitbar sind; er weist auf ein Beispiel von Ramsey hin (siehe sein Buch). Er erklärt meine Auffassung von theoretischen Begriffen, und wir stimmen weitgehend überein, z.B. in Ablehnung von zu engem Operationalismus. – Ich erkläre den Sinn der logischen pr als rationale Kredibilität, nötig für Bestimmung von rationalen 🕮 Entscheidungen, wie im Schilpp Band. Ich erkläre Beispiele von Wetten der beiden Knaben über Pferderennen. Wir müssen die Axiome der induktiven Logik so machen, dass sie unfaire Wetten ausschließen. Er ist sehr angetan davon. Er sagt, das ist sehr verschieden von Kegans und Jeffreys. Es interessiert ihn besonders, dass der Wert-Term „fair“ verwendet wird. Ich betone dabei aber, dass er nur verwendet wird in der vor-systematischen Überlegung zur Begründung der Axiome, nicht im System der induktiven Logik selbst. Damit ist er einverstanden. Ich sage: Induktives Denken ist von 2 Faktoren beeinflusst: Wertungen und induktive Logik. – Wir sitzen auf dem Sonnendeck; auch zum Lunch. Lebhafte Unterhaltung mit Ina. Er sagt, er wünscht, er wäre in 8 Jahren auch noch so lebendig und vigorous wie ich. – Ich frage, ob er mal in der Zukunft herkommen möchte; jetzt hatte er Flint Einladung abgelehnt. Er sagt, nicht in der nahen Zukunft; hauptsächlich, weil seine Frau Direktor einer Gruppe für Maschinenübersetzung ist; er macht da auch etwas mit.) Er wollte sich um 2:30 hinlegen; aber wir sprechen noch bis 3. Er sagt, wieviel er vom Gespräch hatte. – (Er legt sich 3h auf die Couch. 3:30 weckt Ina ihn mit Mühe auf, fährt ihn zum Campus. Um 4h hat er Vortrag „Über den Sinn von empirischen Wahrscheinlichkeitsaussagen“; er sagt, das ist dasselbe wie im Buch; darum gehe ich nicht hin. Abends Dinner mit Department. Dann bringt Yost ihn nach Burbank zum Lufthafen.) –