60Tagebuch 1. I. 1957 – 4. III. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 22. VII. 1957

Etwas tense, und etwas gefühlt im Rücken; ich nehme 1 Miltown. – 12 Dr. Mott. (Die letzten 2 Tage waren anstrengend. Die Sa Party. Gestern nachmittag Party. Ich dachte, er würde bemerken, dass ich müde war, manchmal schweigsam usw. ( Traum vom Mann, der unsere Skisoldatengruppe inspiziert.) Über ihn und seine Frau, die einfach aussah. Inas Bemerkungen über beide.) – 3-7 (!) Gertrud Jäger hier. (Überraschend. Sie sieht unverändert aus, ist lebhaft und stottert weniger. Sie ist in Psychotherapie mit einem klinischen Psychologen, der durch Freud beeinflusst ist. Sie hat auch mal Behandlung durch Reich-Anhänger gehabt; die manipulierten Muskeln usw.; steife Nackenmuskeln kommen von unterdrückter Wut; er riet ihr, wenn sie wütend ist, zu schreien, auf irgendetwas zu hauen usw. Auch die Muskeln in der Kreuzgegend links herum müssen entspannt werden. Ich sage, das ist 🕮 für mich das Wichtigste. – Sie arbeitet noch an der These über Freud; die ist für unser Department! – Dann lange über Fragen im Zusammenhang mit meinem Artikel „Theoretische Begriffe“. Sie fragt, wie man feststellt, ob man die richtigen Begriffe hat, oder die richtigen Korrespondenzregeln; wie man zeigt, dass letztere nicht willkürlich sind; welche Art von Beziehung die Postulate zwischen den Begriffen herstellen. Ich erkläre, dass die einzige Rechtfertigung des theoretischen Gebäudes im Erfolg von Voraussagen und Erklärungen besteht; dass im übrigen nur Vorzüge der Einfachheit sind; dass der Wissenschaftler intuitiv fühlt, dass gewisse Begriffe fruchtbar sein könnten; Erklärung von Makrogesetzen durch Mikrogesetze, usw. Es ist oft schwer für mich, zu erkennen, worauf sie eigentlich hinaus will; aber ich antworte trotzdem irgendetwas in der ungefähren Richtung. – Sie erzählt, dass ihr Mann voriges Jahr $ 10.000 Royalties von dem Lehrbuch der Soziologie bekommen hat, wo sie auch mitgearbeitet hat! – Sie ist erfreut, dass es mir so gut gehe, dass ich richtig „gehen“ kann, nicht mehr so schweigsam bin, usw. Zum Abschied küsse ich sie auf den Mund.) –Am Nach Dr. Mott, und dann am Nachmittag, ist meine Tenseness von heute morgen verschwunden. – Abends überraschend zusammen!