60Tagebuch 1. I. 1957 – 4. III. 1959 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 3. III. 1957

11-3 Robert Cohen hier. (Er hat vom State College Sacramento ein Angebot bekommen: Associateoder buchstabengetreu „Assoz.“ notieren? Professor, gutes Gehalt, hauptsächlich Physik, auch Philosophie der Wissenschaft. Er hat Bedenken, weil staatlich. Er will das Angebot benutzen, um ein Offer vom Bucknell Callege College in Pa. zu verbessern, wo er nahe bei Grünbaum wäre; noch lieber möchte er an die Boston Universität, wo eine Möglichkeit ist. Er ist erleichtert, dass er jetzt Angebote hat. Er will morgen Pomona besuchen, glaubt aber nicht, dass da etwas herauskommt. Wir erklären, dass hier im Department keine Aussicht besteht. – Er erzählt von England; die Philosophen dort sind ganz uninteressiert an der amerikanischen Philosophie. Die meisten, die Philosophie der Wissenschaft unterrichten, haben keine gründliche Kenntnis von Wissenschaft, ausgenommen Popper und Braithwaite. Von mir kennen sie nur die ganz alten Aufsätze bis 1932. John Wisdom ist interessant, aber kann nur sprechen, nicht zuhören. – Ich sage ihm, dass ich gerade seinen Schilpp Aufsatz gelesen habe, und einige Comments dazu machen möchte. Anfangs weicht er aus, und spricht 🕮 nur von anderem. 10 Minuten vor dem Essen sage ich es nochmal; wieder spricht er von anderem. Schließlich spreche ich dann doch einige Minuten. Ich sage: Ich hatte ziemliche Kopfschmerzen, es zu verstehen; habe jetzt lange nichts Marxistisches gelesen; die Terme sind oft vage, z.B. „Subjektivismus“; oft 2 Bedeutungen, z.B. „Phänomenalismus“; mein „Aufbau“ ist nur „methodisch phänomenalistisch“, den metaphysischen Phänomenalismus lasse ich dort ausdrücklich beiseite, weil er nicht zur Wissenschaft, sondern zur Metaphysik gehört. Ich sage, ich bin aber froh, dass er das Schlimmste aus der marxistischen Terminologie vermieden hat, nämlich die Dialektik. – Vorher erzählt er auch von Marie Neurath, sie ist sehr tüchtig, erweitert die Arbeit von Visualisation; hat Reise an die Goldküste in Afrika gemacht; die Visualisation ist dann dort für die Wahl verwendet worden. Er hat Neuraths Korrespondenz mit seinem Bruder in Norwegen gelesen; Neurath war in den letzten Jahren sehr bedrückt, einsam, fand in England keine Leute, mit denen er sowohl politisch wie philosophisch übereinstimmte.) – Ina fährt ihn zum Hotel Beverly Hills zurück. (Ich denke nachher, vielleicht war ich zu negativ in meinen Comments zu seinem Aufsatz; ich hatte mich beim Lesen so oft über die unklaren Formulierungen und die Kritik geärgert.) – Nachmittags TV, und etwas gelesen.