65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mi 3. VIII. 1955

(anstatt 5., wegen Feigl Konferenz). Gestern Abschied von Næss. Er: Umarmt? Ich: Ja, und im Impuls auch gekonnt. Ich hatte etwas gezögert mit dem Umarmen vorher, ob das zuviel für einen Norweger ist. Er: Das sind kulturelle Unterschiede, z. B. zwischen Europa und Amerika. Ich: Ich dachte auch, in Amerika wohl nicht üblich; vielleicht sollte ich hier zurückhaltender sein. Er: Nein, es ist doch ein schöner Ausdruck zwischen nahen Freunden; um Zusammenhang Kaplan; das ist auch hier zuweilen zwischen Vater und Sohn; und ich sei doch für viele ein Vater (er nennt hier irgendwann auch Kaplan). Ich: Næss fand, dass ich im ganzen unverändert sei, aber viel freier im äußeren Verhalten. – Er: Ob ich zuweilen abends zu Parties gehe? Ich: nein; neulich war ich unentschlossen für die Departmentparty, aber schließlich entschied ich dagegen, weil (wie Ina sagte) ich dann mich bei anderen Parties nicht mehr damit ausreden kann, dass ich abends nicht ausgehe. Es ist nicht hauptsächlich wegen Rückenermüdung; das ist nur Ausrede; es ist, weil ich dann nachher nicht schlafen kann; auch nicht, wenn Freunde hier sind; auch nicht, wenn ich abends noch an Problemen arbeite. Er: Da muss doch irgendetwas sein, dass den Abend aufregend macht. Ich: So schon als Kind, „schwache Kopfnerven“, die Mutter hielt mich still. Er: Wenn ich mir als Knabe erlaubt hätte, abends mit dem Penis zu spielen, und später zu masturbieren, so wären die ganzen Schwierigkeiten mit den Abenden nicht aufgetreten; es ist doch immer die Angst um den Rücken, um Verstümmelung usw. Er: Ob ich mich vor dem Tod fürchte? Ich: Nein, aber vor Schmerzen, wie Krebs usw. Er: Das ist wohl auch wieder Angst um den Rücken und Verstümmelung. Das wird alles weniger werden, wenn ich mehr aktiv werde. Später, nach der „formalen Therapie“, würde er mich vielleicht mal bei einer Party bei Kaplan treffen. Ich: Das würde ich sehr gern; ich hoffe, dass ich dann entweder abends ausgehen kann oder er willig ist, nachmittags zu kommen.

Nicht aufgeschrieben: 8., 12., 15., 19. dann seine Ferien.


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