59Tagebuch 30. VIII. 1954 – 31. XII. 1956 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 2. VIII. 1955

10-3 Næss und Siri hier. (Ich gehe hinaus, als sie kommen, und gebe ihr einen Kuss. Wir sprechen noch einiges über seine Arbeiten und Möglichkeiten für empirische Sprachanalyse für die Zukunft; ich erwähne auch Problem der leitenden Sprache für IL. Dann vieles Persönliche. Er erzählt etwas von Else; sie hat richtige Psychologie studiert. Der Mann ist nicht sophistiziert, aber lebensklug und richtig für sie; er hat 2 Söhne, die schwierig sind. Ich sage bei Tisch zu Siri, dass ihr Gesicht expressiv ist; ich sah neulich, besonders von ihren Augen, dass sie verstand, was ich über mich Persönliches sagte, über Analyse usw.; daher konnte ich ungehemmt sprechen, wie zu alten Freunden. Arne spricht von 2 Himalaya Expeditionen. Dass er den gefährlichen Berg als freundlichen alten Mann ansah, wie er auch bei den Menschen Freundlichkeit annimmt. Sein Vater starb, als er 2 Jahre alt war; er war schwächlich, die 2 älteren Brüder wollten ihn „abhärten“. Ich sage, dass mir jetzt menschliche Beziehungen am wichtigsten sind. Arne sagt, ich habe mich gegen früher nicht wesentlich geändert. Ich sage, der Grundcharakter bleibt wohl derselbe; aber ich fühle, dass ich nach außen freier bin. Er: Ja, viel freier. Zum Abschied umarme ich ihn und küsse ihn im Impuls, nicht vorbedacht. Er sagt, ich sei nicer als je. Ich küsse Siri auf beide Backen. – Sie wollen Fr abreisen, können sehr wahrscheinlich nicht nochmal herkommen, werden 19. August von Berkeley nach Osten fahren. Er sagt, die Universität lässt ihn ungern weg, nur alle 7 Jahre oder so. Ich sage, sie müssen früher wiederkommen.) –🕮 Nachmittags Dr. Forde. (Er sagt, Lungen X-ray zeigt nichts Besonderes. Ich soll die konvaleszente Diät noch 3 Wochen fortsetzen; man rechnet, dass ein Ulcer in ca. 6 Wochen heilt. Dann wird er wahrscheinlich die Diät noch freier machen, und nach weiteren 6 Wochen ganz freigeben. Er sagt, nächstes Mal können wir auch Blut- und Urinuntersuchung machen.)