65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 1. VIII. 1955

Ich berichte: Gestern schrieb Ina Brief an Anny; mein Selbstfahren erschien da als verursacht durch die Referenz der Frauen; das ärgerte mich, denn ich wollte es nur mir selbst schulden, und auch dem Doktor, aber nicht den Frauen. Das Gefühl war, wie wenn Agnes und Mutter etwas für mich arrangieren wollten, was ich selber tun wollte. Er: Ja, mein Leben wurde zu sehr von Frauen dirigiert. Ich: Ich war erstaunt, in Agnes’ Aufzeichnungen zu lesen, dass ich „in der ersten Zeit“ ein Mädchenkleid trug; als ich später Hosen bekam, fand sie das häßlich. Er: Es kann wohl sein, dass das lange Zeit war, vielleicht bis zu 5 Jahren; das würde vieles erklären, z. B. dass ich in der Adoleszenz mich nicht traute, männlich zu werden und den Penis zu betätigen; das ist außerordentlich selten, und bedarf einer besonderen Erklärung. Ich: Ich glaube doch nicht, dass es so lange war; dann würde ich es doch wohl erinnern. – Ich: Letzthin ging es besonders gut mit Sex (ich erzähle es im Zusammenhang mit dem Selbstfahren); ich weiß nicht, ob das direkt zusammenhängt. Er: Er glaubt ja; das aktive selbständige Fahren stärkt die Initiative überall, besonders, und besonders wo sie unterdrückt war. – Ich: Gestern mittag, als Arne Næss sagte: „Einer von uns sollte schreiben an Else Frenkel-Brunswik“, hörte ich nur „Else“ und verstand Else Næss. Als er nachher sagte, „sie wünschte sich mehr als Du geben wolltest“, da erinnerte ich Traum: „Nein, umgekehrt“. Er war erstaunt, bis Ina verriet, dass ich etwas anderes meinte.