RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
(anstatt 4.7.) Ich komme atemlos herein, ich sage: vom Fahren. Er fragt, ob ich alleine kam; ich: nein, aber ich hoffe, bald; jetzt geht die Bremse leichter. – Ich berichte: gestern, im Hospital, Magen X-ray; ich war zu schüchtern, den X-ray-Doktor zu fragen, ob er etwas von einem ulcer sieht. Dr. Kupper: Da ist ganz gewiss kein ulcer. Ich: Schließt er das aus der Art der Schmerzen, wie ich sie berichtet habe? Er: Ja. Ich: So auch Dr. Wallis; das sagte ich mir jetzt immer zur Beruhigung; aber doch auch etwas Sorge, vielleicht ein ulcer, vielleicht ein Tumor, vielleicht Krebs. Er: Wenn ein ulcer käme, müßte ich dagegen kämpfen und wohl vielleicht den Rücken vergessen. Ich: Vielleicht würde der Rücken eifersüchtig. – Auf seine Frage, jetzt keine Klassen, ich arbeite an meinen eigenen Sachen. Er: Was? Ich: Ein Band [Schilpp]: ich muss Erwiderungen schreiben. Aber das schlimmste ist die intellektuelle Selbstbiographie. Er: Ist das embarrassing? Ich: Nein, aber schwierig; ich schreibe lieber über Probleme. Ich weiß selbst nicht genug über die Motivation meiner Philosophie; ich habe schlechtes Gedächtnis. Er: Er hat das gemerkt; wie wenig ich über die erste Ehe und Beziehung zu den Kindern gesagt habe; auch über Anfang mit Ina, nur einige bloße Fakten; vielleicht ist alles das zu sehr mit Gefühlen besetzt, und auch schmerzlichen. Ich: Das ist sicher der Fall in Bezug auf die erste Ehe. Aber der Wiener Kreis war eine sehr glückliche Zeit: trotzdem weiß Feigl besser‚ was ich damals sagte, als ich. Er: Da waren aber auch sicherlich mehr Gefühle im Spiel, als ich jetzt sehe; Rivalitäten, Freundschaften usw. –Er: Es ist ihm jetzt klar, dass es besser für mich ist, nicht in zu tiefe Schichten hinunterzugehen, und zu versuchen, sie durch frühe Erinnerungen aufzuwecken. Stattdessen lieber