65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 20. VI. 1955

(Ich fahre wieder. Ich sitze im Polsterstuhl mit meinem Kissen.) –Er: Wie geht es mir? Ich: Jetzt im allgemeinen gut. Manchmal der Magen nachts; besonders schlecht mal vorige Woche, mehrere Stunden Schmerzen, auch vomit. Aber das ist nur psychologisch. In Princeton war es schlimmer. Immer mal einige Wochen Beschwerden damit, dann längere Zeit gut. Vor einigen Wochen war so ein ; jetzt hört es mehr und mehr auf. Er: Habe ich mal wieder allgemeine Untersuchung gemacht? Das wäre in meinem Alter doch ratsam alle halbe Jahre oder so. Ich: Nicht seit Weinberger [das war im Okt.]. Er: Ich habe wohl nicht über unsere Gespräche in den letzten Stunden mit Ina gesprochen? Ich: Doch, am 17. abends, Nochmal über die Heirat in Prag; sie war katholisch erzogen; für ihre Gefühle und Träume ist sie nicht richtig verheiratet. Ich habe ihr auch nicht klar gesagt damals, dass wir zusammenbleiben würden. Das hängt zusammen mit Traum 172 (in der Nacht nach dem 17.): Magdalena sagt, ich sei zu schweigsam, „das richtige Wort zur richtigen Zeit ist nötig“, und „Tun ist noch wichtiger als Sprechen“. Dabei Assoziation dazu: Meine Versäumnisse im Sprechen und Tun zu Ina früher. Und zu meiner Mutter, besonders in ihrem letzten Lebensjahr. Ich erzähle, wie sie mir sagte, sie habe Krebs; mein Besuch in Jena; ihr Brief, dass wir nicht mehr zu ihr kommen sollten; nach dem Tod wollte ich keine Gefühle zeigen (dabei kommen mir einige Tränen). Er: Es ist merkwürdig; er hat nach Ina gefragt, ich habe von Ina erzählt, nun auf einmal von der Mutter; dies und der Traum zeigen, dass ich Ina als Mutter nehme. Ich ja; besonders in den letzten 3 Jahren sehr; weil ich Hilfe brauchte; auch vorher. Das ist nur eine Seite meiner Beziehung zu ihr. Er: Wenn er sieht, wie ich mich seit Jahren von Ina abhängig gemacht habe, und wie sie darauf eingegangen ist, seit beinahe 20 Jahren, denkt er, das war nicht richtig. Ich: Gewiß, das sehe ich jetzt; ich bemühe mich, unabhängig zu werden, aber jeder kleine Schritt vorwärts ist schwierig. Aber Ina bestärkt nicht etwa meine Abhängigkeit, sondern hilft mir auch, darüber hinwegzukommen. Dr. Wallis fragte Ina, ob er mich auffordern sollte, zu seinem Office zu kommen (das war, bevor ich noch aus dem Haus ging). Ina sagte ihm, das ginge damals noch nicht, aber sie würde mich vorwärts drängen, mehr und mehr zu tun, zunächst im Haus (z. B. Toilette usw.). Und so kam ich allmählich so weit, dass ich aus dem Haus gehen konnte, und später Auto fahren, und ganz zuletzt zu Dr. Wallis’ Office.