RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Ich: Ich habe so vieles erlebt in der Zwischenzeit. Am 21. Konferenzvortrag ging gut. Dann dachte ich schon, die Schwierigkeiten seien überwunden; aber nachmittags wieder Muskelschmerzen, vor Tarskis Besuch. Und nachts Übelkeitsanfälle. – Seine Erklärung am Telefon, dass die Schwierigkeiten verursacht sind durch die „delikaten Sachen“ in den letzten Sitzungen, gab mir Erklärung und Erleichterung und Ermutigung. Aber dann sein Rat, mehr aufzustehen und auch zur Konferenz zu gehen, brachte Schwierigkeiten. Ich fluchte auf Ina und auf ihn, wegen der zu hohen Anforderungen; ich hatte mir eigentlich gewünscht, er würde raten, es leicht zu nehmen. Aber im Grunde wollte ich doch um meiner selbst willen die schwierige Aufgabe lösen. Darum war ich sehr glücklich, dass ich es bei der Konferenz leisten konnte. – Diese Woche starke Schwankungen in Gefühlen. Es war eine schwere Zeit. Aber ich bejahte es doch; mir war, als wäre eine Eiskruste um mich am schmelzen; als wäre ich jetzt mehr lebendig als je zuvor. Und ich würde um keinen Preis mehr den früheren Zustand zurückwünschen [dabei Tränen]. Er: Er versteht sehr gut, wie schwer es für mich sein musste; ich soll nicht zu viel über die Analyse und mich grübeln, es bis zum nächsten Mal aus den Gedanken lassen. Ich: Ich vergegenwärtige mir immer gern alles, um es stärker zu durchleben; ich glaube, es ist auch nicht zu viel für mich; ich fühle, ich habe Schwäche, aber auch Stärke, sodass ich dies ertragen kann. Er: Doch lieber es jetzt beiseite lassen, damit nicht zu viel Erregung.