RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Voriges Mal zum Schluß sagte er: Warum ich wohl oft Gefühle für unavailable Frauen habe? Danach, beim Weggehen, dachte ich: die unerreichbare Frau, das ist meine Mutter. Manchmal dachte ich: Beziehung zu verheirateten Frauen ist leichter, weil nichts Ernstes daraus wird. Aber zuweilen wurde doch etwas Ernstes daraus. – Ich erzähle dann die ganze Stunde vom Tagtraum über Astrid. Er sagt schließlich: Das ist eine sehr interessante Fantasie, die manches aufzeigt, auf das wir bisher noch gar nicht gekommen sind; was machte diese Geschichte wohl so anziehend für mich? Ich: Die Schwierigkeiten, die ich schließlich doch überwand; die Zuneigung der Eltern; hier konnte ich dem „großen Mann“ eine Frau wegnehmen, ohne seinen Zorn zu erregen, sogar noch seine Dankbarkeit haben. Er: Hatte ich das Gefühl, dass ich sie save von der homo? Ich: So ähnlich; aber nicht „save“, als wäre es etwas Schlimmes. Parallel mit Ina, die lesbischen Neigungen; aber großer Unterschied: damals nahm Ina die Initiative, hier aber ich. Er: Dies alles kann wohl mit dabei sein; dies ist das mehr obvious; aber vielleicht ist da noch etwas Tieferes: vielleicht nehme ich sie als Teil von mir selbst, als Darstellung von etwas in mir; an ihr stelle ich dar, dass Homobeziehung nicht etwas Schlimmes ist, dass man es überwinden kann;