65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 20. XII. 1954

Ich: Warum ist es mir so schwer, schnelle Entschlüsse zu fassen, besonders Sachen, die lange binden? Gestern haben wir ein Haus gesehen, jetzt müssen wir uns schnell entscheiden. Die Tätigkeit als Professor ist nicht schwierig; aber der Entschluß der Bindung; aber auch der Lösung, z. B. zögerte ich es lange hinaus, bis ich in Prag resignierte. Wie ich voriges Mal sagte: Ich kann mich nicht entschließen, auf den Zweig zu klettern. Aber auch nicht, es zu lassen. Er: Es ist der Wunsch, ein Kind zu bleiben, die Scheu, die Verantwortung zu übernehmen wie ein Mann; darum auch die Schwierigkeit für mich, als ich in Amerika Anerkennung fand, die Führerrolle zu übernehmen; die Rolle als rebellierende Minorität in Wien war leichter. Er fragt: Was liegt dem zugrunde, wovor fürchte ich mich im Grunde? Ich: Vielleicht die Furcht, dem Vater zu widersprechen und eigenen Willen zu zeigen; vielleicht die Scheu, zu protestieren, wenn der Vater die Mutter von mir ablenkt. Er: Wer übernahm die Vaterrolle nach des Vaters Tod? Ich: Nur die Mutter; kein Onkel oder so; mal fragte sie Großvaterfreunde um Rat, ob sie mich besser sollte in ein Landerziehungsheim schicken; sie fragen, ob sie Schwierigkeiten mit mir habe; als sie sagte, nie, sie konnte mich zu Hause behalten. – Über meinen Bruder (Josua): Der Vater zwang ihn, ins Geschäft zu kommen; erst nach Vaters Tod konnte er seinen Neigungen folgen. 🕮\(_{38}\)