65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 29. XI. 1954

(Voriges Mal ausgefallen, weil er verlängertes Wochenende von Thanksg. nimmt.) Meine Gefühle, ich im Wartezimmer warten musste, erst stehend, dann unbequem sitzend; schließlich angeklopft, da kam er gerade durch den Ausgang und öffnete mir. Auch Ärger voriges Mal, dass die Stunde abgekürzt wurde, wo eh nur eine in der Woche war; ich verteidige ihn gegen mich selbst, aber das Gefühl bleibt. Auch vorher mal, als er 5 min. früher schloß; aber beim nächsten Mal war es 5 min. länger. So ist Konflikt von meinem Vorwurf gegen ihn, und Rechtfertigungsversuch; aber das Gefühl bleibt dann doch. Ich wünsche ihn als gerecht und vollkommen zu sehen. –Diese Woche fühlte ich mich nicht gut; Nachwirkung des Rückenschmerzes am 21., und dann das Fehlen des Meeting, was ich als Beraubung empfand. –Traum am 27. (nach dem Tag, wo das Meeting ausfiel): Ich fürchte uniformierten Mann aus der Eisenbahn; ich verstecke mich im langen, schmalen Schlafzimmer, höre Schritte und jemand öffnet die Tür; ich schreie laut: „wer ist da?“ und wache auf. Furcht vor homo Annäherung. An dem Tag war Besuch von einem, der vielleicht homo ist [Suppes]. –Traum am 28.: Ich mit Freunden; wir klettern; wir sitzen in Haus, ältere Frau versorgt uns. Ich fahre in wheelchair zwischen vielen Leuten, lasse 3 Mädchen durch, treffe Freund, den ich „Caley“ nenne, der aber der Besucher vom vorigen Tag ist. Keine Zeit mehr für Assoziationen.] – Der Doktor fragt: Hatte ich sonst eine Krankheit oder etwas, das die Müdigkeit usw. diese Woche erklären könnte? Ich: Nein, es war wohl die Nachwirkung des Rückenschmerzes am 21. Und der Gefühle über das Ausfallen des Meetings. –Er fasst zusammen: Die Träume und meine Gefühle zeigen alle, dass ich Furcht davor habe, als schwach, hilflos, feminin, homo usw. zu erscheinen oder so zu sein; beinahe könnte man sagen, mein Zweck, warum ich zu ihm komme, ist, von ihm Stärke zu bekommen, diese Schwäche zu überwinden. Ich: Ja, nicht nur beinahe; der Rücken ist ja hier der Anlass; meine eigentliche Schwierigkeit kommt aus der unbegründeten Furcht, und mein Ziel ist, mit seiner Hilfe diese Furcht loszuwerden. Er: Diese Erwartung scheint vernünftig; er glaubt, ich werde die Furcht überwinden. Ich frage um prescription für Nembutal (oder: Motiv?) oder hat er Einwand, wie andere Analytiker? Er: Da ist vielleicht ein Einwand; ich soll lieber Dr. Weinberger anrufen.

XII / 1954