59Tagebuch 30. VIII. 1954 – 31. XII. 1956 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 26. XI. 1954

Mittags auf. – Nachmittags Suppes hier 3:30-7. Ich sitze auf bis ca. 5, liege dann auf Couch. (Über Entropie. Er hat einiges in meinem ms gelesen, und stellt Fragen. Ich erkläre, was ich mit „physikalischer Größe“ meine; über Neumann, und dass mir scheint, er meint mit „Entropie“ 🕮 die Schätzung einer physikalischen Größe. S.: Der Boltzmannbegriff, weil abhängig von Zellsystem, ist nicht eine „sinnvolle“ physikalische Größe. Ich: Mein Begriff in Teil II ist unabhängig von Zellsystem und stimmt numerisch im wesentlichen mit Boltzmanns überein; er ist eine Funktion der Distanzen im Symbol-Raum; und die Position und Momentum in S.s Partikelmechanik AS definierbar sind. So auch mein Entropiebegriff in II. Das interessiert ihn sehr. Ich sage: Gibbs’ ensemble stellt eine Evidenz dar; daher ist Gibbs’ Methode geeignet für Schätzung einer physikalischen Größe Entropie, nicht für letztere selbst. – Er warnt mich vor Sugar, der persönlich schwierig sei; er will Topofür sich monopolisieren, überschätzt seine eigenen Fähigkeiten und Leistungen sehr. – Über seine axiomatische Methode. Ich: Warum nennt er den Begriff („expliziten Begriff“) mengentheoretisch anstatt logisch? Er: Er will nicht zurückgehen auf die logischen Grundlagenprobleme; seine Darstellung will Physiker beeinflussen und zur Mitarbeit anregen; daher setzt er moderne Mathematik voraus und will die Probleme mathematisch formulieren, nicht meta-mathematisch. – Er ist trainiert in mathematischer Statistik durch Gershick13Meyer Abraham Girshick (1908-1955), hat offensichtlich auch unter dem Namen „Gershick“ publiziert. und andere. Er wird im Berkeley Symposium sprechen über subjektive Wahrscheinlichkeit (Savage). Ich sagt mir, wie er Beziehung zwischen Sav. und mir sieht, und ich erkläre, wie ich sie sehe. Er hat mein Prob. studiert; er hat Cont., aber noch nicht richtig studiert. Vielleicht will er mal wieder herkommen, finanziert durch sein Government Projekt oder sein Department, damit ich ihm die neueren Probleme über n Familien erkläre. Er weiß aber noch nicht, ob er sich dann da hineinstürzen will. Er ist sehr beschäftigt mit Grundlagen der Physik, vielleicht will er AS der statistischen Mechanik machen, und mit Messung von util., auch experimentelle Untersuchungen mit Psychologen. Er sagt, Rubinist genial in Mathematik, glänzend in Finden von Lösungen, aber jemand anders muss ihm Probleme geben und muss die Aufsätze schreiben; er ist zu ungeduldig und lebhaft im Gespräch, kann nicht Fragen genau beantworten (wie Neumann). Daher wäre es besser, wenn ich meine Probleme nur ihm, nicht R., erkläre; er kann dann die mathematischen Probleme herausund dem R. in der Statistik Sprache der Statistik vorlegen.) 🕮 Kalish ist nicht mitgekommen, weil er auf einmal Gäste hat.) – Zwischendurch kommt Beckwith kurz herein (er bringt ms von kleinem, populären Buch über Logischen Empirismus; er schenkt mir sein Buch über sozialistische Ökonomie. Er sieht ältlich aus; strenges, etwas bitteres Gesicht. Ich sage, ich will mit ihm sprechen, wenn ich etwas in das ms hineingeschaut habe.) – Abends im Bett gegessen. – Später getanzt.