65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 19. XI. 1954

Ich sage, dass ich crushed war nach der vorigen Sitzung, ein „Versager“; und Gefühle gegen ihn, dass er nur kritisiert, und keine positive Hilfe gab; wie Frau Tschichold (siehe oben Pfeil der auf die letzte Zeile des vorangehenden Eintrags verweist). Ich fühlte wie früher, wenn ein Anderer mich tadelt. Er sagt: Das Gefühl, dass Hilfe nur von einem starken Mann kommen kann. Ich sage: Ich erinnerte mich nachher auch, dass ich ein Gefühl von uneasiness hatte, als er sich hinter mich setzte; aber nur kurz, dann deckte ich es zu mit Überlegung, dass das die übliche Haltung eines Analytikers ist; aber es ist ja natürlich ungemütlich zu fühlen, weil man nicht mehr Auge sehen kann, wie ich zuweilen tue. Er scheint zufrieden, dass ich jetzt alles herausbringe. Er sagt, wir werden tiefer schauen und sehen, wie gerade die Rückensache zusammenhängt mit der Furcht vor Vater usw.; er sagt: Forderungen der Mutter; ich: doch wohl mehr Vater und Lehrer; die Mutter meist ermutigend, nur zuweilen schwierige Forderungen. – Er sagt: Am 26. wird die Sitzung ausfallen, wegen langem Thanksgg. Wochenende; ich: schade, ich hätte lieber sogar 3 als 2 Sitzung; z. B. letztes Mal, nach der Sitzung, als ich mir zu Hause alle Gefühle klarmachte, fühlte ich: wenn ich ihn nur hier hätte, um ihm gleich alles zu sagen! – Er sagte früher mal: Er hat in Buch für🕮\(_{34}\) von mir hineingeschaut, nicht viel gelesen (“Log. Founds“; vielleicht Enc. I/3 oder oder Beitrag in I/1?); die Sprechweise sei so sehr präzis, ganz anders als sonst bei Philosophen; darin zeige sich die Steifheit. Ich: Ja, mein Stil war immer steif; und die Leute hatten oft zuerst den Eindruck von Formalität und Hochmut, aber wenn sie mich kennen lernten, merkten sie, dass ich informal war. Er: Die Steifheit war ein Selbstschutz; auch die Steifheit beim Tanzen; es war aus Furcht; als ich dann, durch Rückensache und Alter nicht mehr so „gerade aufrecht“ mich halten konnte, war das ein Schreck; (ich glaube, er sagte dann:) Daher nahm ich Zuflucht im Bett.