58Tagebuch 22. IX. 1952 – 30. VIII. 1954 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 2. I. 1954

10-1 Diskussion mit denselben, und später Else Brunswik. (Ich spreche in den Recorder über Gesetze, nomologische Formen, Kausalmodalitäten. Diskussion wieder über hypothetische Constructs. Ich sage, dass vielleicht auch vor-wissenschaftliche Terme aufgefasst oder rekonstruiert werden könnten als Constructs mit vor-wissenschaftlichen Gesetzen besser also als Dispositionsbegriffe.) (Alle anderen sind mittags bei Oppenheims.) – 3 ½ – 6 ½Else Brunswik hier. (Ein wenig über ihren Vortrag, den ich gelesen habe. Frank hat ihn schon gedruckt ohne ihr Wissen. Wir sitzen ½ Stunde am Tisch, dann in meinem Zimmer. Ich erzähle von meiner Analyse, Ina später auch von ihrer. (Sie wußte es schon durch Hanja Frank.) Sie ist sehr interessiert; sie sagt gleich, bevor ich etwas davon sage, dass mein im Bett bleiben zurückgeht auf Furcht, Aggression zu begehen und dadurch Leute umzubringen. Ich sage, dass der Vater starb, als ich 7 Jahre alt war; das nimmt sie direkte Bestätigung. Auch sonstige Inaktivität in unserer Bewegung und dergleichen führt sie zurück auf Furcht, die Competitors zum Verschwinden zu bringen. Sie meint, das Wichtigste sei dann das Erlebnis, wenn man gegen den Doktor hostil und aggressiv wird, ihm nichts geschieht. Ich sage, ich sehe ihn zu sehr als wirkliche Person, daher kommt keine Hostilität auf. Sie sagt, anscheinend wird das dann ersetzt durch Analyse der Gefühle des kleinen Jungen in den Kindheitserinnerungen. Sie ist ganz überzeugt, dass beide Male das Jahr des im Bett Liegens ein freies Researchjahr war, zeigt, dass die Researcharbeitdoch als nicht erlaubt gefühlt wird. Die Arbeit ist “überbestimmt“, einesteils aggressiv, wenn auch sublimiert, andernteils eine von der 🕮 Mutter gebilligte Tätigkeit. Sie meint, dass ich Freunde wie Hempel und Feigl nicht nur nicht kritisiere, sondern ihnen aufhelfe, damit ihnen ja nichts geschieht. – Egon habe hohen Blutdruck; daher Analyse mit ihren Aufregungen nicht mehr ratsam. – Nagel sage, Analyse sei doch keine wirksame Hilfe; sie und Ina vermuten, dass er vielleicht eine Analyse abgebrochen hat. – Über LA; sie glaubt auch, dass jetzt die Ernennung unsicher ist; aber wenn man mal tenure hat, geschehe einem nicht leicht etwas. letzthin bei der Kongress Komiteeuntersuchung sei nur über Mann vorgeladen worden. Tolman, der Führer des damaligen Kampfes, habe nichts zu befürchten. Wenn man mal vorgeladen würde, dürfe man allerdings nicht das 5. Amendment anrufen, vielleicht auch nicht das erste, sondern müsse besser alles beantworten. Aber sie glaubt allgemein, dass die Tätigkeit der Kongresskomitees abnehmen wird; vielleicht mehr sich auf Politiker richten wird, wenn die Wahlkampagne kommt. – Sie ist eingeladen worden zu dem Behavior Reserach Institute; es ist für 5 Jahre finanziert, aber lädt immer nur für ein Jahr ein. Morgen wird sie mit dem Direktor Tyler96Vermutlich ist Ralph W. Tyler (1902-1994) gemenint, der erste Direktor des CASBS in Stanford. Else Brunswik war dort im ersten Jahr des Bestehens Fellow. sprechen.) – Wir sind beide ziemlich erschöpft. Soviel unruhige Tage hintereinander hatte ich lange nicht. – Und Ina dazu noch die schreckliche Arbeit des Umziehens und die Laryngitis. 3 Nemb. Besser geschlafen.