65Tagebuch 06. X. 1952 – 03. VIII. 1955 [Analyseprotokolle] [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Fr 3. VII. 1953

Ich berichte: Gestern nur einige Male auf dem Bett gesessen; zu ängstlich aufzustehen, weil letztes Mal (26.6.) der Schmerz gerade kam beim Aufstehen vom Bett. Er spricht von der Furcht vor den Versuchungen; er sagt, der unbewusste Zweck von Ritualen vor dem Ausgehen (z. B. mein Nachprüfen vor dem Weggehen zur Straße, (Mappe, Schlips, usw.), ist die Abwehr von Fantasien, die man sich nicht erlauben will. Wenn man sich erst mal alles frei erlaubt in Fantasien, verschwindet die Angst. Er erzählt von einer Patientin; er erkannte aus vielen Träumen, dass sie sich wünschte, an seinem Penis zu saugen, aber es dauerte 6 Monate, bis sie es bewusst machen und sagen konnte. Bei dieser Geschichte kommt mir plötzlich Assoziation mit seinem Penis: wie ich kürzlich (nach dem neuen Schmerz) mir wieder in Erinnerung rief, wie es war bei dem Schmerzanfall früher, als er dabei war. Ich hatte Furcht, er möchte mich an der Hand festhalten, oder auch nur mit einem Wort; was ich fürchtete, war wirklich sein Penis; darum schon vorher die Angst vor Bücken, weil das wie Aufforderung erschien. [Eine Bemerkung von Ina kürzlich rief dies wach; das habe ich jetzt nicht erwähnt.] Ich sage, es ist sehr seltsam. Er: Wie erschien es dem 8-jährigen Jungen? Da war es natürlich. Ich sage, ich kann aber gar nichts erinnern über Wünsche von Annäherung des Vaters. Er: Es ist gut, dass Erinnerung von konkretem Moment nicht nötig ist; es genügtausgestrichenes Komma das gegenwärtige Nacherleben der früheren Wünsche und Fantasien. Ich sage, ich fühle mich sehr erleichtert, dass ich dies jetzt deutlich anschauen und sogar sagen kann. Er: Die Unterdrückung gerade dieser Vorstellung mit dem Vater und mit ihm war es, was in den letzten Wochen wieder größere Spannung und Ängstlichkeit bewirkteausgestrichenes Komma und das Wiederauftreten der Magenschmerzen nachts als ein Schutz gegen Träume und Enthüllung. Sich gewöhnen an alle möglichen Fantasien dieser Art bringt die Befreiung, das heutige Sprechen ist ein wirklicher Schritt vorwärts.