RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Ich sage, dass ich versucht habe, offen gegen den Vater zu sprechen oder zu schimpfen, dass ich aber wenig Zorn gegen ihn aufbringen kann. Er versteht das und sagt, in dieser Beziehung ist es leichter für einen Sohn, wenn der Vater wirklich ein Tyrann. Ich erzähle aber noch einiges über Vater und Agnes und meine Inferiorheit im Sprechen („Tante Klara“). Er fordert mich auf, jetzt gegen ihn auszusprechen, was ich etwa als Ärger und Zorn gegen ihn gefühlt habe. Ich: Er hat viel weniger Anlaß gegeben als andere Diktatoren, weil er keine Forderungen stellt. So kann ich nicht schimpfen, sondern höchstens argumentieren. Ich hatte mich geärgert, dass er sagte, ich könnte eigentlich ohne Gürtel gehen. Das gab für mich Konflikt: wenn ich es nicht tue, wird er das mißbilligen; wenn ich es aber täte, würde es mir unvernünftig vorkommen, weil die Erfahrung im Sommer klar gezeigt hat, dass die Anfälle kommen, wenn ich ohne Gürtel gehe; das wäre doch sicherlich wieder zu erwarten, gleichgültig ob Disk oder Neuralgia oder sonst was die Ursache ist. – Ich frage, ob ich Kniebeugen machen soll oder keine, auf Stuhl gestützt. Er: Er ist im allgemeinen gegen solche künstlichen Dinge; lieber natürlich aufstehen, um etwas zu holen oder dergleichen. Ich erkläre, warum es mir nützlich erscheint. Er: Es ist eigentlich nicht nötig, aber wenn ich will, kann ich es ruhig tun. Er meint, die wackligen Knie sind auch hauptsächlich psychologisch.