RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Ich sage, dass ich meist in guter Stimmung bin (zuweilen ein wenig down, aber nicht schlimm, z. B. am 21., nach der Besprechung, nachmittags und abends); aber nur, weil ich „das ganze Problem“, das dringend bevorsteht, beiseite schiebe. Er: Was ist das? Ich: Doch offensichtlich; schließlich muss ich wieder aufstehen, ich kann’s nicht ohne Gürtel, mit Gürtel kommen die Schmerzen; die Annahme, dass die durch die psychologische Behandlung auch verschwinden, ist doch eine unsichere Annahme. Er: Da ist kein „großes Problem“. Sobald ich mich freier fühle, kann ich aufstehen, mit oder ohne Gürtel. Ich: Aber die Erfahrung im Sommer hat doch gezeigt, dass mein Rücken zu schwach ist ohne Gürtel; da kam dreimal der Diskanfall. Er: Ist überzeugt, dass das gar nicht Disksache war, vermutlich neuralgia, d. h. ein spontanes Feuern eines Nerven durch Irritation im Nerv selbst, in Sinnesnerven. (Wenn dasselbe in motorischen Nerven geschieht, so entweder Krampf im ganzen Muskel, wenn Reizung weit entfernt, etwa in Nervenwurzel; oder twitching eines Faserbündels im Muskel, durch lokale Reizung.) Ich: Aber die Anfälle im Sommer kamen mir vor ähnlich wie die in früheren Jahren. Er: Es scheint ihm zweifelhaft, ob das Disk war. Ich: Aber Dr. Rasmussen sagte, es seien ein oder drei Disks; aber vielleicht hatte er auch Zweifel und wollte darum nicht operieren. Wenn Neuralgia eine mögliche Erklärung ist, hätte er das doch untersuchen müssen, da er selbst neurologischer Chirurg ist. Er: Die Entdeckung der „Disksache“ ist neu, ist immer noch Modesache, wird überschätzt (er gibt andere Beispiele solcher Modediagnosen.) Ich: Was kann man gegen Neuralgia tun? Er: Nichts, das kommt zuweilen, dann verschwindet es wieder; er selbst hat es ihm Gesicht gehabt, aber nur dreimal bisher im ganzen Leben. Er meint, wenn die psychologischen Störungen überwunden sind, wird alles leichter; dann bewege ich mich freier, bin nicht so gespannt, dadurch weniger leicht Krämpfe, usw.
Ina fragt ihn draußen: Kann ich Feigls Angebot mit gutem Gewissen annehmen? Er: Gewiß, nach einiger Zeit werde ich