40Tagebuch 1. I. 1936 – 16. XII. 1936 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 25. IV. 1936

Vormittags wir mit IrvingPIrving, Philosoph in Princeton auf den Turm, und in den Dix Garten.51Cleveland Tower ??? Dann mit IrvingPIrving, Philosoph in Princeton ans Institut, zu ChurchPChurch, Alonzo, 1903–1995, am. Mathematiker. Er war in meinem Vortrag, hat auch mal eine Frage gestellt, ist aber sehr zurückhaltend und hat sich nur vorgestellt. Ich frage, ob seine Methode nicht ähnlich der von ChwistekPChwistek, Leon, 1884–1944, poln. Mathematiker und LeviPLevi ist. Er meint: Nein; aber sein System erlaubt, die Numerierung der Ausdrücke auszudrücken (?). Mit IrvingPIrving, Philosoph in Princeton zu NeumannPNeumann, John (Johann) von, 1903–1957, ung.-am. Mathematiker. Über unentscheidbare Sätze; und dass jeder Satz entweder analytisch oder kontradiktorisch ist; er bezweifelt, dass man noch eine Zweiteilung machen kann.52Erläuterung ??? Mit ihm und Ina zu seinem Haus; Landhaus im englischen Stil, weit draußen. Kleines Kind (1 Jahr), alte Nurse, Negerdiener. Lunch. Dann im Garten spazieren. Über FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank: Er sei als solider Mathematiker bekannt, aber nicht erstklassig, habe früher Gutes geleistet, in den letzten Jahren keine originellen Arbeiten; aber bekannt durch Handbuch.53„Relativitätsmechanik“, In: Handbuch für physikalische und technische Mechanik 2, 1928 ??? Schwierig, ihn nach Amerika zu bringen. Über TarskiPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker: RockefellerIRockefeller Foundation54Die Rockefeller Foundation. gibt jetzt kaum mehr was für Mathematik, vielleicht könnte er als Logiker kommen. Er will sehen, vielleicht mal ans Institut (das sagt er so nebenbei, wohl kaum ernst gemeint). Er hat mit dem jungen BirkhoffPBirkhoff, Garrett, 1911–1996, am. Mathematiker ein Sprachsystem für Quantentheorie ausgearbeitet‚BBirkhoff, Garrett und John von Neumann!1936@„The Logic of Quantum Mechanics“, Annals of Mathematics 37 (4), 1936, 823–84355Birkhoff und von Neumann, „The Logic of Quantum Mechanics“. wird bald veröffentlicht: der Satzkalkül ist geändert, das Distributivgesetz wird aufgegeben; auf meine Frage: 🕮 die Satzverknüpfungen sind keine Wahrheitsfunktionen; aber er meint, dies sei die Sprache mit der geringsten möglichen Änderung. Die Folgebestimmungen sind definitiv; die Hauptänderungen sind in den Umformungsbestimmungen. Der neue Satzkalkül entspricht der projektiven Geometrie. – Seine Frau ist sehr verwöhnt und anspruchsvoll; auch er persönlich nicht sehr sympathisch. 5h ins Institut; EinsteinPEinstein, Albert, 1879–1955, dt.-am. Physiker, verh. mit Else Einstein hat die Verabredung vergessen, er glaubte, es sei heute erst Freitag. Ich rufe die Wohnung an, Frau EinsteinPEinstein, Else, 1876–1936, verh. mit Albert Einstein sagt, wir sollen zum Tee kommen. Dort auch Professor LipschitzPLipschitz, Prof. aus Berlin, Arzt aus Berlin, jetzt New York, er Arzt, nicht sympathisch, geht nach dem Tee weg. Mit EinsteinPEinstein, Albert, 1879–1955, dt.-am. Physiker, verh. mit Else Einstein im Garten spazieren, dann oben in seinem Zimmer. Über MachPMach, Ernst, 1838–1916, öst. Physiker und Philosoph, seine Bedeutung und Fehler. EinsteinPEinstein, Albert, 1879–1955, dt.-am. Physiker, verh. mit Else Einstein sagt, dass er in der Relativitätstheorie sehr von Einstein MachPMach, Ernst, 1838–1916, öst. Physiker und Philosoph beeinflußt war, und auch HumePHume, David, 1711–1776, brit. Philosoph vorher gelesen hatte. Ich frage nach seinen Einwänden gegen Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis, er lehnt ab, es seien eigentlich keine Einwände da, er habe nur den Eindruck gehabt, wir wollten die Gesetze aus den Beobachtungssätzen ableiten. Das war richtiger Eindruck für die erste Zeit in Wien, von MachPMach, Ernst, 1838–1916, öst. Physiker und Philosoph beeinflusst, aber jetzt nicht mehr. Ich frage ihn, ob er nicht zu tolerant gegenüber Metaphysik ist, wenn er nur sagt, er versteht sie nicht, und k nur gradueller Unterschied zu physikalischen Theorien. Er sagt: das Letztere ist nicht ganz ernst gemeint; es ist nur, um den nicht-induktiven Charakter der physikalischen Theorien zu betonen. – Auch über Realitätsebene. – Über metaphysische Bedürfnisse; Ehrfurcht und religiöse Gefühle. Ich sage, dass dies alles berechtigt, und in Kunst ausdrückbar, aber schlecht in Pseudotheorien. – Ina spricht mit Frau EinsteinPEinstein, Else, 1876–1936, verh. mit Albert Einstein. Sie sagt, er habe sich auf meinen Besuch gefreut, weil menschlich guter 🕮 Eindruck (nur von der Diskussion vorgestern!): bescheiden und so. Er habe kaum persönlichen Kontakt mit den Leuten im Institut, habe keine Assistenten mehr, man schätze ihn hier nicht hoch, auch weil Snob (!). Er unterstützt allerhand arme Verwandte, die er hat nach New York kommen lassen. Er überlegt, ob er nicht wieder in die Technik zurückgehen soll (!). Sie sagt zu Ina, ob wir nicht doch PrincetonIPrinceton University, Princeton NJ annehmen wollten, er würde sich freuen, persönlich erfreulichen Kontakt zu haben! ½ 6 – ½ 8 (!) – Wieder in das Gastzimmer im Turm der Graduate School.