16Tagebuch [7] 20. IX. 1916 – 24. XI. 1916 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 3. X. 1916

Inzwischen ist’s schon zu hell geworden. Es regnet dauernd. Vormittags Gewehr gereinigt; draußen gestanden und zugesehen. Mittags 2. Büchse auf dem Feldkocher gebraten. Die Leute haben ihren Kaffee aufgetrunken, hängen jetzt draußen unter einer aufgespannten Zeltbahn Kochgeschirr auf, und kochen davon Kaffee. Sie finden unter den 331 herumliegenden Sachen einiges Brauchbares. Nachmittags leiser Regen. Vorn im Stollen gesessen und etwas geschrieben und MünchhausenPMünchhausen, Börries Freiherr von, 1874-1945, dt. Schriftsteller und Lyriker gelesen.11Vielleicht Münchhausen, Balladen. Vgl. LL . Ob heut’ die Kaffeeholer kommen? Ein Infanterist erzählt, dass sie gestern heut’ früh schon im R‑Werk gewesen seien; ob sie sich verlaufen haben? Abends schick’ ich 2 Mann zum R‑Werk. Kurz darauf kommt SeidelPSeidel, Leutnant zu mir, heut’ Abend waren meine Kaffeeholer wieder bei ihm, also wieder verlaufen. Nachmittags Regen, jetzt teilweise Sternenhimmel. 8h mit KabitzPKabitz, Soldat zur ersten Linie vorgegangen. Etwa 500 m vor uns. Wir münden etwa bei Gewehr 1, rechts. Gehen dann nach links zu den anderen Gewehren. Teilweise ist der Graben noch unterbrochen, wird gebaut. Die Gewehrbedienungen haben primitiven Wetterschutz, Dach aus Hölzern, etwas Erde oder Zeltbahn; mehr nicht. Dürfen sich bei Tage nicht blicken lassen, nachts wird gearbeitet. Liegen rechts bis vielleicht 30 m an den Feind ran, links vielleicht 100. In den beiden Schluchten rechts und links ist die deutsche Stellung unterbrochen, Verbindung nur durch Patrouillen. Rechts dort die feindliche Stellung weit vor, sodass sie geradezu im Rücken unseres vorgenommenen rechten Flügels steht. Die Leute vorn haben Kaffee und Wurst bekommen. Im Nebel wirken die Leuchtkugeln nur schwach, so komme ich leicht wieder zurück. ½ 10. Eine Ordonnanz von SeidelPSeidel, Leutnant ist da, ich soll sofort rüberkommen. Ich nehme schnell einen Schluck von dem eben angekommenen Kaffee und wir gehen los, finden auch schließlich glücklich das R‑Werk; ich bin ziemlich erschöpft von dem langen Krabbeln in Eile über die Granattrichter‚ 🕮 dazu der lausige Stahlhelm. In die Gegend des R‑Werks wird viel geschossen. Drinnen eng und überfüllt. Die schmalen Gänge liegen und hocken noch voll von Stafettenläufern, Meldern usw. SeidelPSeidel, Leutnant in engem Raum mit Artillerie-Beobachtern. Üble Luft da unten. Ich verschnaufe etwas. 10h SeidelPSeidel, Leutnant zeigt mir auf derbOriginal die. Karte die französische Stellung in der SouvilleschluchtLSouvilleschlucht, der keine deutsche gegenüberliegt. Diese soll morgen unter Artilleriefeuer genommen werden. Falls die Franzosen von hier aus einen Handgranatenvorstoß machen, um unseren rechten Flügel zu umgehen, soll ich von der Kiesgrube ein ganz kurzes (50‑Schuss‑) Wirkungsfeuer durch die Schlucht abgeben; hauptsächlich der moralischen Wirkung wegen, damit die Franzosen sehen, dass hier noch etwas steht. Zurück. 10 ½. Instruiere Posten und Gewehrführer kurz. Endlich Abendessen; und Durst gestillt. Erzähle den 332 Leuten von vorn und vom R‑Werk; über die übrige Front hier; zeige meine Karten (105).