12Tagebuch [3] 3. V. 1915 – 19. X. 1915 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 5. VI. 1915

Ich soll zur Wache kommandiert werden, kann aber keine greifen; wahrscheinlich muss ich dafür morgen Dienst machen. Mittags kommt die Frau auch wieder unzählige Male herein, doch merkt sie allmählich, dass ich das nicht sehr schätze. Ich fühle mich ziemlich unglücklich; keine befriedigende Tätigkeit, vom Infanteriedienst, Wachdienst usw. versteh’ ich wenig; eigentlich keinen Kameraden, mit dem ich verkehre, und hier auf der Stube lässt man mich nicht mal ungestört allein. Bin auch noch recht müde, mag aber bei Tag nicht schlafen. Nach dem Essen schlafe ich eine Stunde, fühle mich dann wohler. Hole mir Brot, gehe mit dem Gefreiten BrzezinskiPBrzezinski, Soldat ins CaféLHirschberg!Café, pumpe ihn an, kaufe mir Butter. Zu Hause überlege ich in Ruhe die Möglichkeiten: Kursus, Urlaub, SassePSasse, Major von fragen wegen Versetzung zur Artillerie, JenaLJena. Oder August Kriegsschauplatz, nächster Kursus. Fühle mich wohler. Merke aber doch, dass die Einsamkeit nicht schön ist, wenn man noch dazu keine befriedigende Tätigkeit hat. Ich lese sehr viel, 251 die ganzen Tage schon.8Den Tagen in Hirschberg sind in der Leseliste die Einträge bis zugeordnet. Ich will jetzt weniger lesen, mich mehr ausruhen. Esse zu Hause, dann schöner Spaziergang auf den Hügel links mit Blick über das schöne Land. Komme freudiger wieder nach Hause.