11Tagebuch [2] 22. XII. 1914 – 2. V. 1915 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Do 8. IV. 1915

Die ganze Infanterie-Feldwache mit dem Feldwebel zieht ab. Wir behalten die 20 Kombattanten mit ihrem Unteroffizier, die wir mit ihr teilen sollten, für uns. Sie besetzen die beiden Unteroffiziersposten links in der Schlucht und auf dem ÖlbergLÖlberg und helfen uns Postenstehen. Es gibt wieder Brot, ein „Trupp-Schwein“, usw.

Nachmittags habe ich Lust, mal wieder eine Patrouille zu machen, SchröderPSchröder, Soldat, PeterPMüller-Munk, Peter, 1904-1967, dt.-am. Industriedesigner, Sohn von Gertrud Müller-Munk und Franz Müller und WagnerPWagner, Soldat wollen hinauf. Der Leutnant hat nämlich gesagt, 230 die Division hat geschrieben, sie lege Wert darauf, dass das Gelände zwischen Zwinin IILZwinin II, 1091, 1038 durch Patrouillen erkundet wird. In der linken Schlucht holen wir uns am MG noch BartezkiPBartezki, Soldat: DienerPDiener, Soldat und die MGer necken uns: Wenn wir oben Damit sie sehen, dass wir wirklich bis oben zu dem weißen Schneefleck kommen, sollen wir von dort winken. Na, das haben wir ja schön getan. Links schräg aufwärts, aber oben der Sattel zwischen ChochnowkaLChochnowka und 1091 ist waldfrei, deshalb wieder etwas hinunter und ziemlich horizontal am steilen Waldhang entlang. Sehr ermüdend, tiefer Schnee, aber um die Bäume herum getaut. Durch mehrere steile Bachbetten. Schließlich in einen Hochwald. Anscheinend frisch gefällte Bäume. Es macht Spaß, mit mutigen Leuten zu gehen; wir müssen einen ungedeckten Hang zum Bach hinunter. In Abständen läuft einer nach dem anderen hinab. Auf der Renz-HöheLRenz-Höhe scheint kein Russe aufzupassen, oder kein Posten auf dieser Seite zu stehen. Eine ziemlich kahle Schlucht hinauf, oben an den Waldrand rechts, teils davor, teils dahinter. Ein Strohschober mit scheinbarem Zweigverhau harmlos. Ebenso gleich lange Pfähle, zeltartig an einen Baum gelehnt (mit BartezkiPBartezki, Soldat aufgepflanzt daran gegangen). Vom tiefen Schnee und Regen recht nass. Weiter hinauf. An den Schneefleck. Mal nach links hinüber, da wird’s aber unsicher. Rechts können wir von dem „Dreieck“ gesehen werden, doch fährt meist Nebel dazwischen. Mal glauben 2, drüben einen Mann vom Schützengraben hergehen zu sehen. SchröderPSchröder, Soldat und WagnerPWagner, Soldat lachen BartezkiPBartezki, Soldat aus, dass er immer noch höher will, um „die Leute im Schützengraben einzeln abzuzählen“. Mir tut’s leid, dass deren Mut jetzt doch seine Grenze erreicht hat. Ich fühle mich 🕮 gerade heute so ruhig und könnte noch viel weiter gehen. Wir sehen dann noch über eine Böschung hinüber, gehen an einem volleneOriginal vielen. Heustadel vorbei, weiter oben 2 schon abgegraste. Plötzlich geht der Nebel weg, und wir stehen ungedeckt den Schützengräben des „Dreiecks“ nahe gegenüber. Schleunigst zurück. Der Heustadel wird angesteckt 6h. WagnerPWagner, Soldat zündet sich noch eine Zigarette daran an. Da fängt’s aber auch schon an zu pinken37Niederdeutsch für funkeln, glitzern.. Ich überzeuge mich noch, dass die Flamme wirklich gefasst hat, dann schleunigst zum Waldrand und in Hast hinab in den steilen Wald, immer noch Schüsse hinter uns: Wir kugeln förmlich in dem glatten Urwald. Dann in Ruhe, aber doch ziemlicher Eile hinab zum Bach. Dann gemütlich nach Hause, meist im Bachbett. SchröderPSchröder, Soldat hat sich oben von uns verloren, er findet sich unten wieder. Über dem Wald 231 sehen wir starken Qualm, wie von einer Fabrik, die Flamme können wir leider nicht sehen. Das MG ist schon zur Prosch-HöheLProsch-Höhe geschleppt, die Leute haben nichts gesehen. 215 – 645. Der 7h-HöhenpostenLRenz-Höhe!7h-Höhenposten meldet, das Feuer gesehen zu haben. Es ist einer der ganz Neuen; „beinah ganz oben“ meint er. HeidrichPHeidrich, Soldat hat das Feuer noch bis 10h gesehen. Kurze Meldung an den Leutnant. MertensPMertens, Soldat erzählt später, er sei zufrieden gewesen, „das ist ja schneidig“.