11Tagebuch [2] 22. XII. 1914 – 2. V. 1915 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag So 25. IV. 1915

5h geweckt, 530 Antreten, zum BahnhofLCzernowitz!Bahnhof, abgeladen, mit Gesang wieder in die KaserneLCzernowitz!Kaserne (8h). 10h kommt Exzellenz (deutscher General), besichtigt 5. und 6. Kompanie und deutschen Train, der hier ist. Sagt, hat Gutes von unserer Leistung am ZwininLZwinin gehört. Hier würde es auch Arbeit 239 geben, dann sollen wir wieder so tüchtig sein, Schulter an Schulter mit den Österreichern. Fragt einzeln nach Eisernem Kreuz usw. Dann Ausgang bis ½ 4. Ich werde leider Unteroffizier vom Dienst, darf nicht ausgehen. Ich geh’ natürlich doch, die Leute mögen sich selber zum Essen führen. Eine Stadt wie CzernowitzLCzernowitz, europäisch und zugleich balkanisch (rumänische Sonntagstrachten usw.) sieht man so leicht nicht wieder. Unterhose, Lektüre, Notizbuch gekauft. Wannenbad „Türkenbad“ (= Puff) mit HauschildPHauschild, Soldat, OttoPOtto, Leutnant, RothePRothe, Soldat. Die Wonne! Dann mit RothePRothe, Soldat 🕮 MiddeldorpfPMiddeldorpf, Soldat getroffen; ins „Deutsche Haus“LCzernowitz!Deutsches Haus.521910 eröffnetes Kulturzentrum der deutschsprachigen Minderheit in der Bukowina. Der gute Professor KaindlPKaindl, Raimund Friedrich, 1866-1930, öst. Historiker und Ethnologe zeigt uns FestsaalLCzernowitz!Festsaal, Klubsaal der „Schlaraffia“LCzernowitz!Klubsaal der „Schlaraffia“531859 in Prag gegründete Vereinigung zur Pflege von Freundschaft, Kunst und Humor. usw. Unten gibt’s leider nichts Warmes. Also mit RothePRothe, Soldat und MiddeldorpfPMiddeldorpf, Soldat ins Polnische HausLCzernowitz!Polnisches Haus.54Neben der deutschsprachigen gab es in Czernowitz auch eine große polnischsprachige Minderheit. Gut gegessen. In die KaserneLCzernowitz!Kaserne zurück. Kein Mensch hat mich vermisst. Beim Abmarsch sorge ich, dass die Küche angespannt steht und sich anschließt. Weiter hab’ ich nichts zu tun. Ich möchte gern noch mal in die interessante Stadt, das bunte Gewimmel auf dem „Ringplatz“LCzernowitz!Ringplatz, und die wirklich sehr schönen Trachten: Weißer (blendend!) Anzug der Männer mit buntbestickter Weste darüber; Weiber barfuß Rock auf einer Seite aufgesteckt, unten und oben sieht man blendend weißes Unterzeug; schöne bunte Farben. Aber ich bleibe lieber zur Sicherheit in der KaserneLCzernowitz!Kaserne (ob man dem Feldwebel LangePLange, Feldwebel schließlich trauen kann?) und schreibe Tagebuch und Ansichtskarten. Um 7h bläst der Trompeter, um 8h geh’ ich schlafen, nach 10 kommt die Kompanie, schließlich kommt der Feldwebel KallenbergPKallenberg, Feldwebel und weckt mich, und dann sorge ich unten für Essen‑, Brot‑, und Wein-Ausgabe, bis bei­nahe 12h.