11Tagebuch [2] 22. XII. 1914 – 2. V. 1915 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 1. III. 1915

½ 3 beim Stab angetreten. ThiloPThilo, Soldat hat 6 frische Leute als Melder geschickt. DienerPDiener, Soldat und ich stehen da, die 4 andern kommen noch nicht. Der Hauptmann verteilt uns an die Kompanien, die in langen Schlangen heraufmarschieren und auf der Straße stehen. Ich führe die linke Kolonne: 8. Kompanie, BartezkiPBartezki, Soldat kommt noch zu mir. Wir marschieren zuerst los, diesmal links vom Bach; die Infanteristen bremsen, wir müssen langsamer fahren. Immer weiter am Bach, manchmal ziemlich schwierig; in der Eile auch durchs Wasser. Schließlich rechts hinauf, durchs Bachbett auf den Wald zu. Der Leutnant kommt; ob wir abends noch weiter gegangen sind. Ob wir nicht müde werden; ob wir nicht eigentlich durch die Schlucht sollen. Ich erkläre, dass ich den linken Waldrand oben für geeigneter halte, weil er höher liegt und ich vermute, dass dieser Hügel sich ohne Zwischental an den Kamm anlehnt. Durch den Wald hinauf bis zu der Stelle, wo wir abends waren. Gehalten. Der Leutnant kommt wieder. BartezkiPBartezki, Soldat und ich sollen weiter suchen, einige Infanteristen hinter uns 213 her. Durch den Wald hinauf, eine Art Schneise, die wir öfter überkreuzen. Plötzlich sehen wir mal 100 m oberhalb eine Reihe schwarzer Köpfe. Wir stehen still, auch 2 Infanteristen sind noch bei uns. Ob’s Köpfe sind? Wir müssen es näher untersuchen. Zur Seite in Wald; zwischen den Bäumen durch Lücken hinauf. Plötzlich wieder 20 m vor mir die „Köpfe“. BartezkiPBartezki, Soldat sofort auch still. Sie rühren sich nicht. Langsam in die Kulissen zurück, miteinander gesprochen, BartezkiPBartezki, Soldat hält es für Baumstümpfe. Wir tauschen die Plätze. Da sieht es nicht mehr so täuschend wie Köpfe aus. BartezkiPBartezki, Soldat geht darauf zu. Wir konstatieren: Baumstümpfe, ein ganzes Feld voll. Ich erkenne das Feld, an dem wir mit HagmannPHagmann, Soldat waren. Infolgedessen tapfer hinauf und am Waldrand vor. Oben stehen wir plötzlich auf einer Kuppe. Zwischen uns und dem Kamm liegt noch eine Senkung. Ob nun links in der Schlucht die Kolonne besser hinauf geht? Lieber erst hierhin, dann kann von diesem prachtvollen Aussichtspunkt der Leutnant selbst die Stellung wählen. Ich bin zu müde, BartezkiPBartezki, Soldat fährt hinunter und schickt im Wald einen Infanteristen hinunter. Ich ruhe mich aus, esse etwas, auf der schönen Kuppe, den ganzen Kamm in unbestimmtem Lichte vor mir. Schließlich zu ungemütlich (im durchschwitztem Hemd), zum Heustadel; angelehnt und etwas gegessen. Die Kolonne kommt, ich lasse noch in Deckung halten. Der Leutnant kommt, und noch einer. Hinauf auf die Kuppe. Ich erkläre die Lage des Kammes, der russischen Stellungen, des \(\bigtriangleup \) 1038 und des Zwinin ILZwinin I. Der Tag bricht bald an, es wird Zeit; der Leutnant entschließt sich für diesen Punkt, im nächsten Wald oben (ob der schon am Kamm liegt?) will er Posten ausstellen. Hier einen gekrümmten Graben anlegen. Er rühmt das schöne freie Schussfeld. Ich sage, dass ich nur die Funktion habe, hier hinauf zu führen; BartezkiPBartezki, Soldat bleibt als Melde. Ich bin entlassen. Ich kratze das Eis von den Skiern. Schöne Abfahrt zwischen den Bäumen, dann auf freiem Feld neben dem Wald. 🕮 Unten im Wald kommt ein Infanterist RehleinPRehlein, Soldat an. Über den Bach, lasse den „Pohar“LPohar links, will durch die KirchschluchtLZwinin!Kirchschlucht nach Hause. Falle aus Müdigkeit eine kleine steile Böschung hinab kopfüber, Karabiner auf den Hinterkopf. Unten breiter Bach, komme wirklich nicht trocken hinüber. In einer Blockhütte, wie sie da viele stehen, ausgeruht, gegessen. Eis abgekratzt. Fühle mich wieder erfrischt; gemütlich heimgefahren. Unterwegs zum Leutnantshaus. Ihm Karte zurückgebracht, erzählt. Auch von des Hauptmanns Unzufriedenheit. Gibt mir die neuen Zeitungsnachrichten. Ins Westdorf; zu ThiloPThilo, Soldat. Der hat keine frischen Leute zur Ablösung mehr. Hat auch die Nacht nicht viel schlafen können. Im Quartier gegessen, ausgeruht; dann schlafen gelegt; kann aus Übermüdung im hellen Licht nicht schlafen. Nachmittags ein 214 wenig geschlafen. Für die übliche Nachtpatrouille um unsern Berg sind nicht genug Leute da. Ich laufe deshalb die erste (6 – 8h) mit BartezkiPBartezki, Soldat. Oben liegt eine Feldwache. Auf der andern Seite unten auch noch um die Hütte gesucht. Auf dem „Anmarschweg der russischen Kolonne“ um den Berg herum von links zurück. ½ 8 schon wieder da. Schönes Abendessen; MiddeldorpfPMiddeldorpf, Soldat ist in unser Quartier gezogen. Es gibt noch Post, Pelzweste und Pelzsocken, Butter.