3Tagebuch [Tilly-Briefe] 3. XI. 1911 – 23. XII. 1912 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 18. XI. 1911

Heute höre ich, wie Du mir erzählst, dass Du vielleicht nicht fertig wirst bis Weihnachten mit Deinen Studien.9Vgl. TBT 30. XI. 1912R. Gewiss wäre das schade, und ich würde mich ja sehr freuen, wenn Du noch in diesem Jahre das Ziel erreichtest. Aber so wichtig ist das doch nicht. Ich fürchte fast, dass Du jetzt zu viel arbeitest, um es doch noch zu erzwingen. Ich würde es noch mehr, als dass Du das Ziel nicht erreichst, bedauern, wenn Du jetzt immer hinter Deinem Schreibtisch säßest, bis Du ganz blass aussähest, statt in den Schnee hinauszulaufen, den ihr jetzt da wohl schon habt. Das wäre doch schrecklich! Darum musst Du auch nicht schimpfen, wenn ich Dir „gute Ratschläge“ gebe, als ob ich ob schon doppelt so alt wäre, als ich bin. \(_{10}\)🕮\(_{11}\)

Denk Dir nur, bei dem Erdbeben ist FriedrichPRohden, Friedrich von, 1886–1973, Arzt, Sohn von Gustav von Rohden, Mitglied der Freischar Freiburg, heiratete 1914 Marianne von Rohden, wie er mir erzählte, aus dem Bett gefallen. In FreiburgLFreiburg sind nur einige Ziegel von den Dächern gefallen und eine Mauer eingestürzt. Das MünsterLFreiburg!Münster ist zum Glück unbeschädigt, obwohl die Spitze furchtbar geschwankt haben soll. Man hat so ein ganz doll 84 hilfloses Gefühl, wenn man so samt Bett, Zimmer, und Haus gerüttelt wird und kann sich gar nicht dagegen wehren.

Jetzt schließ ich schnell, weil wir heute und morgen eine 2‑tägige Wan­de­rung in den SchwarzwaldLSchwarzwald machen. Gleich geht’s los. Lebe wohl!