1Tagebuch 14. II. 1908 – 13. V. 1908 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mi 13. V. 1908

In den Ferien waren MutterPCarnap, Anna, 1852-1924, Tochter von Friedrich Wilhelm Dörpfeld, heiratete 1887 Johannes Sebulon Carnap, Mutter von Rudolf Carnap und Agnes Kaufmann und ich in LichtentalLLichtental21Die Naturheilanstalt Lichtental in Baden-Baden. AgnesPKaufmann, Agnes, 1890–1976, geb. Carnap, Schwester von Rudolf Carnap, heiratete 1912 Reinhard Kaufmann und FritzPDörpfeld, Friedrich Gustav, 1892-1966, Fritz genannt, Sohn von Anna und Wilhelm Dörpfeld, Autohofbesitzer in Berlin in RonsdorfLRonsdorf. In LichtentalLLichtental war Herr Kaufmann, später auch Frau Kaufmann und KlausPKaufmann, Klaus, nebst Herr und Frau Kaufmann. Ferner ein Herr HansePHanse, Fritz, ein armer Krüppel, mit ei­73nem Auswuchs auf dem Buckel. Fritz HansePHanse, Fritz hieß er. Sein Vater war Däne, die Mutter Deutsche. Da er in BerlinLBerlin geboren ist, hat er in keinem von beiden Staaten Bürgerrecht. Er will nach BremenLBremen reisen und sich dort das Bürgerrecht kaufen, da sei es am billigsten. Er war bisher in MünchenLMünchen Reproduktionstechniker. Er war Vorsitzender einer GuttemplerlogeIGuttempler in MünchenLMünchen.22Die Guttempler sind eine im neunzehnten Jahrhundert in den USA gegründete Abstinenzorganisation („Order of Good Templars“). Er interessierte sich für neue Gedanken, besonders auf dem Gebiete der Religion. Früher hatte er einmal Esperanto gelernt. Ich habe ihm gesagt, er möchte es doch wieder lernen. HeinzPRohden, Heinz von, 1892–1916, Sohn von Gustav und Agnes von Rohden, Student der Theologie, Mitglied der AV Marburg kann’s jetzt wie er (HeinzPRohden, Heinz von, 1892–1916, Sohn von Gustav und Agnes von Rohden, Student der Theologie, Mitglied der AV Marburg) sagt. 🕮 In LichtentalLLichtental bekam ich auch wieder Anstöße auf dem Gebiet des Spiritismus, Okkultismus usw. durch die Bücher, die da lagen. Aus denen hatte ich mir auch auf einem Zettel allerlei Büchertitel notiert, aber verloren. Nach den Ferien sah ich einige Tage lang sie nicht, dann zweimal an einem Tag. Einmal ging sie mit Meda „Medi“ MesePMese, „Medi“ und andern kleinen Mädchen die LuisenstraßeLBarmen!Luisenstraße rauf, da ging ich mit Hans RüggebergPRüggeberg, Hans an ihr vorbei. Dann sah ich sie in der BergbahnLBarmen!Bergbahn. Dies reine schöne Gesicht! Dann kam ich mit FritzPDörpfeld, Friedrich Gustav, 1892-1966, Fritz genannt, Sohn von Anna und Wilhelm Dörpfeld, Autohofbesitzer in Berlin an dem Jungen vorbei, Ich glaube, er heißt BerchterPBerchter, von dem mir Hans BöllingPBölling, Hans ja gesagt hatte, er schwärme für Annemarie LichtenbergPLichtenberg, Annemarie. Da sagte FritzPDörpfeld, Friedrich Gustav, 1892-1966, Fritz genannt, Sohn von Anna und Wilhelm Dörpfeld, Autohofbesitzer in Berlin zu ihm: Deine kleine Schwarze sitzt auch darin. Dann sagte ich FritzPDörpfeld, Friedrich Gustav, 1892-1966, Fritz genannt, Sohn von Anna und Wilhelm Dörpfeld, Autohofbesitzer in Berlin, was Hans BöllingPBölling, Hans mir gesagt hatte; FritzPDörpfeld, Friedrich Gustav, 1892-1966, Fritz genannt, Sohn von Anna und Wilhelm Dörpfeld, Autohofbesitzer in Berlin schien zu glauben, sie heiße Barbara. HansPBölling, Hans schwärme selbst für die Schwester, so sagte er. Aber der BerchterPBerchter gefalle ihr nicht, sie schwärme für Heinz GrottePGrotte, Heinz. Heute sah ich die mit dem braunen Haar in der BergbahnLBergbahn. Das wird wohl ihre die Schwester sein. Hildegard KaufmannPKaufmann, Hildegard =? Schwester von Reinhard Kaufmann hat mir jetzt eine Rolle Schokolade mitgebracht. Ja, ich gäbe noch was drauf, wenn ich ihr die schenken dürfte. Doch nun muss ich sie selbst essen. Und dabei bin ich sonst der verkörperte Egoismus. Ich habe mir PlatensPPlaten, August von, 1796-1835, dt. Dichter Gedichte geliehen, da muss ich mir einiges daraus abschreiben, das so auf mich passt, dass ich es hätte sprechen können. Wenn ich doch das könnte! Ich lese auch BürgersPBürger, Gottfried August, 1747-1794, dt. Dichter Gedichte. Die Der kann aber an PlatenPPlaten, August von, 1796-1835, dt. Dichter nicht tippen23Vermutlich im Sinne von „kommt nicht an ihn heran“ zu lesen.. Die Distichen von PlatenPPlaten, August von, 1796-1835, dt. Dichter habe ich hinten in dies Buch geschrieben.

Ich schwärme wieder tüchtig für Esperanto. Ich habe mir wieder allerhand kommen lassen. 🕮 Herbst geh ich nicht nach LeukasLLeukas24Vermutlich eine Anspielung auf eine geplante Griechenland-Reise mit Carnaps Onkel, dem Archäologen Wilhelm Dörpfeld. Bereits 1895 hatte Carnap eine solche Reise mit seinem Onkel, seiner Mutter und Schwester unternommen. Vgl. (AB, A16). sondern auf 74 den Kongress nach DresdenLDresdenIEsperanto-Weltkongress, Dresden, 1908.25Zu Carnaps Plan, den Esperantokongress in Dresden zu besuchen, und zu den untenstehenden Bemerkungen zur Barmener Esperantogruppe und zur Schulordnung vgl. Lins, „Sprache transnational“. Das sag ich so leichthin; wie viel kann noch in den Weg kommen! Die MutterPCarnap, Anna, 1852-1924, Tochter von Friedrich Wilhelm Dörpfeld, heiratete 1887 Johannes Sebulon Carnap, Mutter von Rudolf Carnap und Agnes Kaufmann hat zwar gesagt, als ich ihr dies sagte, die Freude wolle sie mir sehr gern machen, da ich nicht nach LeukasLLeukas ginge. Soeben habe ich sie gefragt, ob ich den Direktor DapprichPDapprich, Richard, 1858-1919, Direktor des Gymnasiums in Barmen fragen darf, ob er mir die Erlaubnis geben will, in die hiesige GruppeIEsperantogruppe in Barmen einzutreten. Ich möchte nämlich sehr gerne Konversation, mündliche Unterhaltung lernen, bevor ich auf den Kongress gehe. Ich zweifle noch sehr, ob er mir’s erlauben wird. Wegen des Kongresses frag ich wohl besser gar nicht, denn wenn er es dann verbietet, dann kann ich nicht hin. Wie ich aus der Liste ersehen habe, geht Herr RüggebergPRüggeberg, Herr, Vorsitzender der Esperanto Ortsgruppe in Barmen, ich glaube sogar mit seiner Frau, der Vorsitzende der GruppeIEsperantogruppe in Barmen, zum Kongress.IEsperanto-Weltkongress, Dresden, 1908 In der Schulordnung steht, man darf nicht „selbstständig“ auf Zeitungen abonnieren. Was heißt „selbstständig“. Wie viele Jungen bekommen doch den „Guten Kamerad“IDer Gute Kamerad, Zeitschrift. Ich abonniere auf 3 Esperanto-Zeitschriften: Germana EsperantistoIGermana Esperantisto, Zeitschrift, EsperantoIEsperanto, Zeitschrift, La RevuoILa Revuo, Esperanto-Zeitschrift. In der Schulordnung steht, man darf nicht in einen Verein eintreten; ich bin in der Germana Esperantisto SocietoIGermana Esperantisto Societo. In der Schulordnung steht, man darf nicht ohne die Eltern in Wirtshäuser gehen. Wenn ich vielleicht zu den Gruppenversammlungen gehen werde, die sind nicht in den beiden Wirtshäusern, in die wir Primaner zwischen 6 und 10 Uhr gehen dürfen. In der Schulordnung steht, wir dürfen nicht an öffentlichen Versammlungen teilnehmen, oder so ähnlich; was soll das mit dem KongressIEsperanto-Weltkongress, Dresden, 1908 geben? Gott wolle alles zum Besten fügen! —


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