RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Der Vorsatz, ein Tagebuch zu schreiben, in dem Sinne, wie ich’s jetzt meine, mag wohl schon ein Jahr oder noch älter sein. Auch in letzter Zeit habe ich wiederholt gelesen, dass es äußerst nützlich und angenehm ist, wenn man in späteren Zeiten sehen kann, was und wie man früher gedacht hat. Deshalb sollen bei mir die Erlebnisse in den Hintergrund treten. Ich möchte gern später ein skizzenhaftes Bild von meinem Gedankenleben, besonders der Entwicklung, den Fortschritten in meinem geistigen Leben haben. Später sollen mich diese Zeilen daran erinnern, was ich für eine Weltanschauung, was für eine Anschauung über manches Philosophische, was mir jetzt oder schon früher aufgestiegen ist, und noch über vieles andere ich gehabt habe, und wie sich alles das im Laufe der Zeit weiterentwickelt hat. Ich habe schon vor Jahren manchmal bei kleinen Kindern beobachtet, dass sie oft allerlei denken und meinen und überlegen und philosophieren, wovon sie nichts oder nur wenig oder nur ein schattenhaftes Spiegelbild in ihren Worten dartun. Woher habe ich dann gewusst, was sie dachten. Ich weiß es nicht mehr genau, oft fielen mir meine Gedanken ein, die ich in im Kindesalter in meinem Köpfchen gedreht hatte und fast alle mit nur mit wenigen Ausnahmen wieder vergessen habe. Da dachte ich, wenn ich