71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Sa 5. VIII. 1967

Vormittags 10 – 1 und nachmittags 3 – 6 Gespräche mit GünterPatzig (großes, breites Gesicht, blond, große Gestalt; lebhaft, spricht leicht und schnell; manchmal schweift er ab in unwesentliche Details. Aber er versteht schnell und gut. Er hat hauptsächlich des Historikers Interesse, die Philosophie zu verstehen, aber ist auch an systematischen Problemen interessiert. – Ausführlich über die Natur der Scheinsätze. Ich sage, ich sehe jetzt die griechischen Naturphilosophen als Vorläufer der Wissenschaft an, und Aristoteles als wissenschaftlichen Philosophen; seine Metaphysik ist vielleicht Logik und Semantik, oder vielleicht auch (vor-)wissenschaftliche Hypothesen, aber im Idealismus des vorigen Jahrhunderts, und in Heidegger und anderen Existenzialisten und Bloch ist viel Konfusion. Das gibt er zu. Wir verstehen uns im Laufe des Gespräches besser. Ich erzähle die Einstellung in Wien zu Brouwer, und dann die Heytings27https://de.wikipedia.org/wiki/Arend_Heyting Axiomatik; und dann aber H’s Betonung, vielleicht in Königsberg, dass es kein vollständiges System der Mathematik gibt; damit wären die Intuitionisten Vorläufer Gödels, wenn auch ohne Beweis.) 🕮\(nach Amrum)\– Spaziergang mit Hans Arnold, bis Elbchaussee. Auch über Vietnam, die „freie Systeme“. Aber Städteplanung beginnt. –Hanneli telefoniert aus Stockdorf (unsere Rückflugtickets sind verkauft! Ich sage ihr: Wenn David dicken Brief schickt, soll sie es aufmachen und aussuchen, was mir nachgeschickt werden soll).