71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 4. VII. 1967

Mitternacht. In der Wartehalle (die O. NA kündigt von Zeit zu Zeit an, warum sich das Flugzeug noch weiter verspätet. (Zuerst sollten wir um 10h Abend dort sein, und das Flugzeug um Mitternacht abfliegen; das wurde vor einigen Tagen laut Telegramm verschoben um 2 Stunden.) (Zuerst hieß es, vielleicht gegen 2h, das Flugzeug sei angekommen, müsse aber genau untersucht werden wegen Verdacht von Schmugglerei (vermutlich kam es aus Mexiko). Das gab Heiterkeit, aber längeres Warten. Dann hieß es, jetzt wird das Flugzeug vom Hauptflugfeld zu unserem herüberkommen, 🕮\Flug nach Deutschland\ und dann „in no timefuel genommen haben, und dann Abflug. Endlich kam es, und viele gingen hinein, wir auch. Draußen warteten wir an der barrage?, wo wir durchmussten, aber es war noch zu früh. Nach einiger Zeit wieder hinein und hingesetzt. Man hörte die Gasolinepumpe draußen immer arbeiten, aber es nahm eine endlose Zeit. Inzwischen ging Hanneli öfters hinüber auf den Parkplatz, und später ich auch mehrmals; die kühle Nachtluft tat gut, und ich spazierte herum. Schließlich hörte das Pumpen auf, nach sehr langer Zeit. Nach weiterem Warten wurde verkündigt, dass ein leak im Wasserbehälter entdeckt worden war; die Kompanie würde keinesfalls, wie vielleicht andere, trotzdem abfliegen; nein, das käme bei ihnen gar nicht in Frage, die Passagiere für 12 Stunden ohne Trinkwasser und Kaffee zu lassen, daher müssten wir leider noch länger warten; um ca. 4h fühlte ich mich so müde, dass ich dachte: Ich kann jetzt nicht noch 12 Stunden sitzen auf den nicht weit zurückgelehnten Stühlen (wie Wim mir berichtet hatte) sitzen, und ging daher mit Hanneli zur SW Ecke des Saales, wo ein office war. Ich sagte dort den boys, ich wolle cancel meine Teilnahme an diesem Flug; neben uns saß eine Dame, die sagte, die boys hätten nichts zu sagen, es sei gerade niemand von der Fluglinie da; sie sei die Vertreterin des Klubs, und als solche erklärte sie mir, dass ich kein Geld zurückbekommen würde, da ja jetzt keine Passagiere mehr gefunden werden könnten, um meinen Platz zu nehmen; „wollen Sie, dass Ihr Anwalt einen Prozess gegen uns macht, oder vielmehr nicht gegen den Club, sondern die Fluglinie?“ Dann sagte sie, ich solle bitte noch dableiben, sie wollte einen Vertreter der Fluglinie herbeiholen. Inzwischen stieg ich über eine niedrige Barriere und setzte mich auf eine hölzerne Fläche; nach einiger Zeit legte ich mich hin, meinen Kopf auf den zusammengerollten Mantel gelegt. Nach einiger Zeit kam sie vom Flugzeug zurück und brachte einen Vertreter der Fluglinie, Mr. Leonard D. Ablieter, regionaler sales manager von O.N.A. (siehe links Mitte). Dieser sagte, 🕮 ich hätte kein Recht auf Rückzahlung, da die Fluglinie nicht an bestimmte Abflugzeiten gebunden sei, sondern nur verpflichtet, nach Möglichkeit den Abflug pünktlich zu machen; hier seien unvorhergesehene Umstände eingetreten. Ich sagte, ich sei durch das lange Warten so elend, dass ich einfach weitere 12 Stunden Sitzen nicht aushalten könne, mit meinen 76 Jahren, und früheren Rückenbeschwerden. Er rühmte die Bequemlichkeit der Sitze im Flugzeug und bot mir an, mich schon hinüberzubringen. Ich sagte, es habe keinen Zweck; aber wenn er mir irgend einen Platz zum Hinlegen verschaffen könnte, nötigenfalls auf dem Fußboden, so wolle ich mitkommen. Zuerst sagte er, da sei kein Platz. Dann überlegte er und sagte, er wolle versuchen, etwas zu arrangieren, und bat mich dringend dazubleiben. Ich sagte „gut“, und legte mich wieder hin. Er kam wieder, und sagte, er habe es arrangiert! Wir gingen beide mit ihm zum Flugzeug; er nahm mich am Arm und führte mich; ich sagte, es sei nicht meine Absicht, trouble zu machen, ich sei sehr froh, wenn wirklich etwas arrangiert werden kann; er sagte einige Angestellte hätten eingewilligt, auf ihre Sitze zu verzichten, solange ich liegen wolle; wir stiegen zum Flugzeug hinauf. Er zeigte mir die letzte Reihe rechts, 3 Sitze, nur ein kleiner Spalt vom Fenster ist sichtbar, und die Rücklehnen können nur wenig zurückgelehnt werden. Zuerst sitze ich auf, bis nach dem Abflug um 5 AModer 5:50? Dann hingelegt; ich liege sehr bequem auf dem Rücken, wenn auch mit Knien gebeugt. Hanneli tauscht mit jemandem, und bekommt den linken Sitz in der Reihe vor mir, gleich am Gang. Nach längerem Liegen sitze ich eine Weile auf, auf dem 1. Sitz meiner Reihe, und lese; links neben mir setzt sich eine Stewardess hin und schreibt. – Inzwischen ist Tageslicht draußen. 🕮\Frankfurt\Zwischenlandung in Boston, aber ohne Ein- und Aussteigen, für refuelling. (Die Stewardessen sagen, das ist jedes Mal so, da bis 1 ½ Stunde; uns hatte man gesagt: non-stop. Wir dürfen nur am Ausgang stehen und etwas Luft schnappen, aber nicht hinuntergehen. Die Stewardessen sagen, dass in Zukunft die Arbeitsperiode in Boston beendet werden soll, und neue Stewardessen kommen für den Weiterflug nach Deutschland; aber jetzt, wie bisher, müssen sie während des ganzen Fluges tätig sein!) Ich abwechsle mit Liegen und Sitzen; gegen Abend legt auch Hanneli sich ein paar Mal dahin, und ich sitze dann auf ihrem Sitz; das tut ihr gut; sie ist doch arg müde nach dem langen Tag von Kramen, noch Einkaufen, und Packen; und dann die lange Wartezeit am Flugplatz und nun die lange Zeit des Fluges. – Bald kommt auch schon die Dunkelheit. Dann fliegen wir über England, dann Brüssel (es wird vom Piloten angekündigt, aber wir sehen nichts.))