RUDOLF CARNAP. Tagebücher und Leselisten. 1908–1919 |
Vormittags Pasqu. reist ab; Frau Stegmüller fährt ihn bis zur Schranke. (Ich umarme ihn wieder; dabei küsst er mich auf die Backe, und dann ich auch ihn. Er ist sehr dankbar für die schönen Tage.) – Nachmittags regnet es; wir bleiben mit Stegmüllers in der überdachten Halle sitzen. Wir haben sehr persönliche Gespräche mit Stegmüllers: ich mit ihm, Chacha mit seiner Frau. (Er erzählt jetzt, wo es dem Abschied zugeht, noch viel konkreter seine Schwierigkeiten: schlimme Angstanfälle; oft Schlaflosigkeit in der Nacht; dann rennt er noch nach Mitternacht ruhelos in den Straßen herum. Aus seiner Kindheit: Die Eltern immerzu im Zank; er bemühte sich, die Mutter gegen den gehassten Vater zu schützen; so kam eine enge Bindung zur Mutter zustande. – Chacha hat den Eindruck, dass die Frau so viel redet, um ihrer eigenen Minderwertigkeitsgefühle zu entrinnen; sie glaubt, dass Frau St. keine lebendige Sinnlichkeit hat