71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Di 18. VII. 1967

(Hanneli fährt allein im VW nach Starnberg zur Klinik von Dr. Zimmermann; sie telefoniert später, dass sie jetzt bald dran kommt, und dass sie in den nächsten Tagen anrufen wird, sobald sie wieder sprechen kann.) – Etwas mit Christoph über seine Doktor Diss. – 3 ¼Frau Stegmüller holt mich ab, zur alten Universität. Ins Dozentenzimmer; dort Stegmüller und bald auch Bar-Hillel und Shulamith (ich umarme ihn und küsse sie auf die Wange. Wir sitzen etwas zusammen und sprechen Deutsch. Er sagt „Sie“, aber ich sage „Du“, und erkläre ihm, dass das doch besser dazu passt, dass wir uns mit Vornamen nennen. Aber er kommt immer wieder mit „Dr.“, auch am nächsten Tag; dann gehe ich auch auf „Sie“ zurück. –Zum Vortragsraum. Ich sehe, dass Stegmüller und BH offenes Hemd tragen, keine Jacke und Schlips. 🕮\(BH Vortrag „Zu Popper und Carnap“)\ Es ist auch sehr heiß im Saal. Obwohl ich neben Lakatos eingeengt sitze zwischen senkrechter Rückwand und Schreibfläche, ziehe ich mit L’s Hilfe meine Jacke aus und später auch noch den Schlips.) –B-H Vortrag „Zu Popper und Carnap“. (Auf Stegmüllers Wunsch spricht er Deutsch; L. aber Englisch; er sagt, versteht Deutsch, kann es aber nicht gut sprechen.) (BH macht Poppers Hauptbegriffe klar, und betont auch die Mehrdeutigkeiten, und die seltsame Tatsache, dass „Bewährbarkeit“ und „Bewährungsgrad“ zuweilen als Synonyme genommen werden. Ferner, dass er meine d. of c. immer mit seinem Begriff gleichen Namens gleichsetzt, obwohl ich doch betont habe, dass sie verschieden sind. Seine Ausführungen sind sehr gut; in einigen Punkten bekomme ich zum ersten Mal ein Verständnis von Poppers Gründen für gewisse Behauptungen und gewisse Polemiken gegen mich. Auch über Unterschied im Interesse zwischen Popper und mir: Ich bin mehr interessiert an der Struktur eines gegebenen Wissenschaftssystems, Popper mehr an der Veränderung, dem Schritt von einer Form zu einer neuen. Dazu füge ich in der Diskussion eine ergänzende Bemerkungen hinzu: Dies ist richtig, und es ist (teilweise) vielleicht dadurch motiviert, dass ich vor allem an logischer Analyse interessiert bin, diese aber wohl auf einer bestehenden Struktur, aber weniger auf den Übergang zu neuen Formen anwendbar ist; darum scheint mir auch der Titel „Logik der Forschung“ etwas irreführend; die Forschung, das Auffinden von neuen Hypothesen ist, wie Popper selbst oft betont hat, nicht bestimmt durch feste Regeln, sondern Ergebnis von Intuition und Inspiration.) – Nachher nehmen Stegmüllers mich nach Hause, für Gebäck und Saft; und dann gehen wir zu Fuß 15 Minuten zum Restaurant „Moser –…“. Dort treffen wir: Dr. Essler (neben dem ich sitze, Humburg, BH und Frau, Mrs. Glatter? aus Amerika, dabei auch Boone (der sagt mir, dass … eine Formel für die Anzahl der Realstrukturen gegeben hat; ich sage, dass das schon einer vor 20 Jahren getan hat, ich kann aber den Namen nicht erinnern.) –Humburg fährt 🕮\(BH und Lak. in Stockdorf.)\ mich um 9 Uhr nach Hause; im Dunkeln fahren wir allerhand Umwege.)