71Tagebuch 5. I. 1967 – 4. I. 1968 [Rudolf Carnap: Tagebücher], Eintrag Mo 20. III. 1967

Wir mieten ein Auto (japanisch; 6 $ pro Tag, + 6 c. pro Meile.) Feigl fährt uns: zum W-Teil von Maui, an der S-Küste entlang, nach Lahaina, und dann N entlang der W-Küste zur FlemingBeach (kenntlich an der Allee von jungen Tannen oder Kiefern, die von rechts oben auf unsere Straße herunter kommt. Es ist den ganzen Tag trüb, und fieselt immer ein wenig. Darum gehe ich nicht schwimmen (es ist zu schwierig, die nasse Schwimmhose auszuziehen, und den nassen Sand von den Füßen fortzukriegen, um eine reine Unterhose anzuziehen). Wir essen auf einem Tisch unter den Bäumen bei der beach mitgebrachte Sachen, und Saft.) Dann zurück nach Lahaina. Ich bin inzwischen zum Umkippen müde; aber die Autositze wären doch zu kurz, so muss ich auf den sehr begehrten nap verzichten. Wir essen im Restaurant. Dann fahren wir weiter zurück; besichtigen Petroglyphs, dann die Straße nach N nach Wailuku, nahe bei Kahului; von dort nach W durch ein sehr üppig bewachsenes Gebirgstal bis zum Ende der Straße, von wo man die Needle sieht. Ein Pfad führt weiter hinauf durch die ganz erstaunlich reiche Vegetation, die selbst an den steilen Bergwänden wächst, bis zu einem Punkt, wo die Needle sehr gut zu sehen ist. Dann wieder zurück, und hinüber zu unserem Hotel. ca. 6 h. Ich bin ganz erledigt. Aber Hanneli geht schwimmen in den Teich, und Feigl sogar ins Meer! Ich sinke um ins Bett und lese. – Abends esse ich mit Hanneli in ihrem Zimmer. (Sie sagt, sie ist in den letzten Tagen oft über kleine Dinge in einen gereizten Zustand gekommen, z. B. heute, als das weiße Kleenex mir grün erschien im grünen Auto. Sie meint, das ist irgendetwas in ihr, das bei unserer gegenwärtigen Lebensweise nicht erfüllt wird, und das kommt dann bei irgendwelchen Kleinigkeiten heraus. Sie sagt, wir sind 🕮 ja sehr verschieden im Temperament und Denken, ich so bedächtig und sorgfältig, und sie lebhaft und eifrig. Sie meint, es wäre besser, wenn wir beide nichts schlucken, sondern immer herauslassen, und ich stimme lebhaft zu. Und sie erkennt auch richtig, dass diese Gereiztheiten nicht wirklich über die kleinen Dinge sind, bei denen sie ausgelöst werden, sondern dass das nur Symptome sind, wo irgendetwas herauskommt, weil bestimmte Dinge, die man zum Leben braucht, nicht erfüllt werden. Ich stimme dem wiederum sehr zu, und sage, dass vor allem sie gleichaltrigen Verkehr braucht, und schließlich auch einen Lebensgefährten. Sie sagt, sie hat nie ein richtiges, normales junges Mädchen sein dürfen, die ihre Neigungen und Wünsche befriedigen kann; da waren immer Pflichten und Aufgaben; und als die Familie nach München zog, wurde sie oft eine „mütterliche Freundin“ zu Mama, wenn die Beziehung mit Broder schwierig wurde; und später die vielen Sorgen im Krieg, und der Beruf als Pflegerin; und dann die Ehe, und wiederum immer übermäßig viel zu tun, und Geldschwierigkeiten. Ich sage: Und jetzt nehme ich Dich sogar oft als „mütterliche Helferin“ und frage Dich, ob ich dies oder das anziehen soll, und auch wichtigere Entscheidungen; sie sagt, das sei ganz recht. Aber sie möchte gern mehr Selbständigkeit haben; sie ist froh, dass ich sie ihre persönlichen Angelegenheiten ganz für sich entscheiden lasse, und nicht immer nachfrage. Sie möchte vielleicht auch mehr Möglichkeit für sich entwickeln, psychologisch tätig zu sein.)